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Die Deutschen

Die Deutschen

Titel: Die Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Müller
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der Hand den Aufrührern sofort entgegentreten. Ihr Unternehmen, das von unerhörtem Leichtsinn zeugt, bedroht den Bestand des Reiches. Es darf in solchen Situationen für die Reichswehr keine Neutralität geben. Je rascher wir handeln, um so schneller wird der Spuk verfliegen. Auch strategisch werden wir in der Lage sein, mit den Truppen, die hinter uns stehen, die Eroberung Berlins zu verhindern.«
    Dem widerspricht General von Seeckt sehr entschieden: »Es kann doch keine Rede davon sein, daß man Reichswehr gegen Reichswehr kämpfen läßt! Truppe schießt nicht auf Truppe. Haben Sie, Herr Minister, etwa die Absicht, eine Schlacht vor dem Brandenburger Tor zu dulden zwischen Truppen, die vor eineinhalb Jahren Schulter an Schulter gegen den Feind gefochten haben?«
    Noske wirft erregt ein: »Sie wollen also die Aufrührer schützen?« Seeckt antwortet: »Keineswegs, aber ich weiß die tragischen Folgen – und vielleicht weiß ich es allein –, die der Kampf mit der Waffe haben würde. Wenn Reichswehr Reichswehr niederschlägt, dann ist alle Kameradschaft im Offizierskorps hin. Wenn das aber einträte, dann wäre die wahre Katastrophe, die mit so unendlicher Mühe am 9. November 1918 vermieden worden ist, erst richtig da.«
    Der Minister antwortet, daß er dann die Arbeiter zu den Waffen rufen würde. Als Seeckt darauf nichts erwidert, ruft er aus: »Dann werde ich die Polizei mobilisieren. Man braucht nur ein Dutzend Maschinengewehre auf der Heerstraße nach Döberitz aufzustellen, dann wird der ganze Spuk zerfallen. Aber Sie wollen eben nicht kämpfen!«
    Seeckt erwidert darauf ironisch, er müsse leider dem Minister auch diese Hoffnung nehmen, da die Polizei bereits mit den Aufständischen zu wesentlichen Teilen gemeinsame Sache gemacht habe.
    Ehe die Rebellen Berlin erreichen können, fliehen der Reichspräsident, der Kanzler und die Kabinettsmitglieder am 13. März 1920, früh 5 Uhr, in vier Autokolonnen nach Dresden.
    Eine Stunde später zieht die Marinebrigade unter klingendem Spiel und mit wehenden Fahnen, das Hakenkreuz am Stahlhelm, durch das Brandenburger Tor. Sie werden von Ludendorff und Lüttwitz in Uniform und von Dr. Kapp in Cut und Zylinder empfangen. Reichskanzleramt und Regierungsämter werden besetzt.
    Aber die Vorbereitungen zur Regierungsübernahme sind nicht beendet: nicht die neuen Gesetze und nicht die neue Verfassung. Der Aufruf der neuen Regierung muß bis Montag liegenbleiben, weil Fräulein Kapp, die den Aufruf an das deutsche Volk tippen soll, in der Reichskanzlei keine Schreibmaschine findet. Und als sie dann doch mit der Arbeit fertig wird, es es für die Sonntagszeitungen zu spät.
    Was dann herauskommt, ist nicht sehr viel: »Deutsche Männer und Frauen! Euch ruft die Regierung der Freiheit, der Ordnung und der Tat. Die neue Regierung hat sich zum Treuhänder eurer Freiheit, eures Rechts auf Selbstbestimmung gemacht. Die Wahlen zum verfassungsmäßigen Reichstage werden binnen sechzig Tagen stattfinden. Die neue Regierung schafft euch die Ordnung, die allein Deutschlands Wiederaufbau ermöglicht. Die Herrschaft der Wucherer, der Nichtstuer und Volksverräter hat ein Ende.«
    Die Autokolonne mit der flüchtenden Regierung macht in Dresden nicht lange Station. Der dortige General Maercker zeigt sich so unzuverlässig und zwiespältig, daß sich Reichspräsident und Reichsregierung entschließen, weiter nach Stuttgart zu flüchten. Von dort aus erläßt man folgenden Aufruf:

    »Arbeiter! Parteigenossen! Der Militärputsch ist da! Die Baltikum-Landsknechte, die sich vor der befohlenen Auflösung fürchten, haben den Versuch unternommen, die Republik zu beseitigen und eine diktatorische Regierung zu bilden, mit Lüttwitz und Kapp an der Spitze. Arbeiter und Genossen! Wir haben die Revolution nicht gemacht, um uns heute wieder einem blutigen Landsknechte-Regiment zu unterwerfen. Wir paktieren nicht mit den Baltikum-Verbrechern. Arbeiter und Genossen! Die Arbeit eines ganzen Jahres soll in Trümmer geschlagen, eure schwer erkaufte Freiheit vernichtet werden. Es geht um alles! Darum sind die schärfsten Abwehrmittel geboten. Kein Betrieb darf laufen, solange die Militärdiktatur der Ludendorffe herrscht! Deshalb legt die Arbeit nieder! Streikt! Schneidet dieser reaktionären Clique die Luft ab. Kämpft mit jedem Mittel um die Erhaltung der Republik, laßt allen Zwist beiseite. Es gibt nur ein Mittel gegen die Rückkehr Wilhelms ii .: Lahmlegung jeden Wirtschaftslebens! Keine Hand darf

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