Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Deutschen

Die Deutschen

Titel: Die Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Müller
Vom Netzwerk:
Parlament am 30. April aufzulösen. Petitionen, die die Reichsversammlung verlangen, gehen von Vereinen, Verbänden und namhaften Persönlichkeiten an den König und das Ministerium. Aber alle Bemühungen ies demokratisch gesinnten Volkes sind vergebens. Der Minister von Beust antwortet mit hochmütigem Spott, und der König entschuldigt sich mit seinem Wort, das er dem König von Preußen gegeben habe.
    Die Aufregung in der sächsischen Hauptstadt wächst; der geringste Anlaß kann jetzt die Explosion herbeiführen. Und dieser Anlaß läßt nicht lange auf sich warten: Am 2. Mai beschließen die Dresdener Kommunalgarden, am 3. Mai einen feierlichen Aufmarsch zu Ehren der Reichsverfassung zu veranstalten. Er ist für 1 Uhr angesetzt. Da bis zu dieser Stunde kein Verbot ergangen ist, sammelt sich die Bürgergarde, als die Glocken läuten und Generalmarsch geschlagen wird. Inzwischen liest die Bevölkerung einen Maueranschlag, der die Stadtverordneten für 4 Uhr zur Wahl eines Landes-Verteidigungsausschusses zusammenruft, da »nach einer preußischen Note die Besetzung des Landes durch preußische Truppen bevorsteht«. Diese Plakate steigern die Erregung weiter. Als dann noch der Kommandant der Kommunalgarden mitteilt, daß das Oberkommando den Aufmarsch verboten und angeordnet habe, die Bataillone zu verabschieden, erhebt sich überall der Schrei: »Verrat!« Und die Massen wälzen sich zum Schloß und zum Zeughausplatz.
    Um 3 Uhr nachmittags wird das schwache Gattertor am Zeughausplatz mit einem Leiterwagen als Rammbock aufgesprengt. Das Volk flutet sofort in den Hof. Die Torwache schießt nicht, trotz eines Befehls, sondern weicht zurück. Doch der Oberstleutnant von Polenz läßt dreimal Trommelwirbel schlagen und dann durch ein 12-Mann-Peloton Feuer geben. 4 Tote bleiben auf dem Platz. Das unbewaffnete Volk hebt sie auf und eröffnet einen Steinhagel auf die Besatzung. Gleichzeitig schießen die Turner; ein Leutnant fällt, und die Besatzung zieht sich zurück. Das erbitterte Volk sammelt sich nun vor den Haupttoren des Zeughauses, und plötzlich wird mit dem Leiterwagen, der schon einmal als Sturmbock gedient hat, das mittlere Haupttor eingestoßen. In dem Augenblick, da die Flügel des Tores auseinanderspringen, kracht ein Kartätschenschuß in die nachdringende Menge, und 20 Tote und Verwundete bleiben liegen. Daraufhin wagt das Volk keinen zweiten Angriff. Der Sturm auf das Zeughaus ist abgeschlagen, die Massenbewaffnung damit verhindert. Ein Sicherheitsausschuß wird gebildet; er arbeitet die ganze Nacht hindurch an der Organisierung des Aufstandes. Tzschirner ist »die Seele des Widerstandes«. Er ernennt die Befehlshaber der einzelnen bewaffneten Kolonnen und Barrikadenmannschaften; er stellt Gutscheine für Lebensmittel, Waffen und Kleidungsstücke sowie Passierscheine aus.
    Vor allem aber wird in dieser Nacht der Bau von 108 Barrikaden betrieben; er steht unter der Leitung des Hofbaumeisters Gottfried Semper. Sie sind so fest gefügt, daß sie später auch schwerem Geschützfeuer standhalten.
    Die Vorbereitungen zum Kampf bleiben im Schloß natürlich nicht verborgen. Um 4 Uhr flüchtet der König mit seiner Gattin und in Begleitung der Minister, unter dem Schutz dichten Nebels, in die Festung Königstein. Als die Minister Beust und Rabenhorst abends wieder in die Hauptstadt zurückkehren, erfahren sie, daß den ganzen Tag über gekämpft worden ist. Die Altstadt ist in den Händen der Revolutionäre. Am Kreuzturm kämpft auch der königlich sächsische Hofkapellmeister Richard Wagner. Die berühmteste dramatische Sängerin der Zeit, Wilhelmine Schröder-Devrient, feuert im Kugelregen die Aufständischen an.
    Die Flucht des Köngis veranlaßt die Aufständischen, eine provisorische Regierung für Sachsen einzusetzen. Der Sicherheitsausschuß ist damit aufgelöst, die Regierung wird auf die Reichsverfassung vereidigt. Inzwischen überschreiten preußische Interventionstruppen die Grenze und greifen in die Kämpfe in Dresden ein. Der Motor des Widerstandes heißt jetzt Bakunin: er nimmt an allen Beratungen der provisorischen Regierung teil und erläßt selbständig Befehle. Die Reichsverfassung tritt in den Hintergrund; das rote Banner der sozialistischen Republik wird aufgezogen.
    Die preußischen Truppen versuchen, Barrikade um Barrikade zu nehmen. In der Morgenfrühe des 6. Mai geht das Opernhaus in Flammen auf. Man hat mit diesem Brand den russischen Anarchisten Bakunin belastet. In seinem »Katechismus

Weitere Kostenlose Bücher