Die Dichterin von Aquitanien
zu bleiben. Wenn sie in ihrer Ehe etwas begriffen hatte, dann war es ihre eigene Reizlosigkeit. Kein Mann sehnte sich danach, eine abgemagerte Krähe zu berühren. Und sie konnte sich auch nicht vorstellen, jemals den Wunsch zu verspüren, dass ein Mann wieder seinen Wurm in ihren Körper zwängte.
»Ihr habt Euch deutlich genug ausgedrückt, mein Herr Cadell«, erwiderte sie spöttisch, bevor sie den Raum verließ.
Auf dem Hof stand der Wagen schon bereit. Zu ihrer Überraschung hatte auch Prinz Rhys sich mit seiner Gemahlin eingefunden. Bemüht höfliche Abschiedsworte wurden ausgetauscht, bevor Marie einstieg. Hawisa folgte ihr sogleich. Nur kurz wandte sie den Kopf, um den Geliebten noch einmal anzusehen. Rhys ap Gruffydd musterte Maries Zofe für einen Moment, schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln und nickte zum Abschied. Dann wandte er sich wieder seiner Gwen zu. Hawisa wischte sich ein paar Tränen aus den Augen, als ihr Reisegefährt losholperte.
»Bist du dir sicher, dass du nicht bleiben möchtest?«, fragte Marie, aber Hawisa schüttelte nur den Kopf.
»In Dinefwr ist kein Platz für mich. Er erfüllte mir einen letzten Wunsch, bevor wir uns für immer trennten.«
In diesem Moment begriff Marie, wem sie ihre Freiheit wirklich zu verdanken hatte, und legte ihre Arme dankbar um Hawisa. Eng umschlungen rollten sie durch das Tor und über die Brücke.
»Nun geht es wieder nach Frankreich«, drang die vertraute Stimme von Guy de Osteilli an ihr Ohr, sobald sie auf freiem Gelände waren. »Die Königin befindet sich zurzeit in Angers, und ich hoffe, sie wird eine Weile dort bleiben, um uns zu empfangen.«
Der Ritter saß aufrecht im Sattel und sein Gesicht leuchtete vor Glück.
»Ich habe Owein überreden können, uns zu begleiten, könnt Ihr Euch das vorstellen? Er will dem Herrn Cadell, einem Verräter, nicht mehr dienen. Natürlich hätte er in Dinefwr bleiben können, aber wie soll ich sagen, andere Beweggründe waren stärker, und Prinz Rhys erwies sich als großmütig. Er ließ den Barden ziehen. Ich bin sicher, Owein wird es in Frankreich gefallen. Ich will ihm die Kunst der Troubadoure und der Trouvères des Nordens zeigen. Für einen Künstler ist unsere Heimat überaus inspirierend, meint Ihr nicht?«
Marie nickte, denn dies wurde von ihr erwartet. Es freute sie zu hören, dass wenigstens ein einziger Mensch, der mit ihr nach Wales gekommen war, dort sein Glück gefunden hatte.
13. Kapitel
S ie erreichten Angers während der ersten Schneefälle. Erschöpft und durchfroren betrat Marie das Gemach, in dem die königlichen Damen hausten, musterte aus vergangenen Tagen vertraute Gesichter, die sie neugierig anstarrten.
»Wie geht es dir, mein Mädchen? Es freut mich, dass du wieder bei uns bist«, sagte Torqueri, als sie Marie in die Arme schloss. Sie schwieg, schmiegte sich nur an den warmen Körper und spürte, wie ihr Tränen in die Augen schossen.
»Deine Ehe mit dem Bruder eines Prinzen scheint nicht unbedingt glücklich verlaufen zu sein, wenn er dich so bereitwillig fortschickte«, hörte sie eine andere wohlbekannte Stimme und blickte in Emmas hochmütiges Gesicht.
»Ehen mögen Gottes Wille sein, aber Trennungen sind es manchmal auch«, erwiderte sie mit erstaunlicher Ruhe. »All das wirst du begreifen, wenn du selbst einmal verheiratet bist.«
Was konnte Emmas spöttisches Gerede ihr noch anhaben, nachdem sie Cadell überlebt hatte? Sie empfand sogar ein wenig Freude, die bissige Verwandte wieder vor sich zu sehen. Auch Emma gehörte zum Hof Aliénors.
»Die Königin hat vor Kurzem ein Kind geboren. Ein Mädchen, das auf den Namen Joanna getauft wurde«, erzählte Torqueri, während die Kiste mit Maries Habseligkeiten hereingetragen wurde. »Nun ist sie wieder bei Kräften, und wir
sollen alle das Mittagsmahl in ihrem Gemach einnehmen. Ruhe dich ein wenig aus, aber dann musst du dich einkleiden, Marie. Die Königin ist sehr ungeduldig, dich zu sehen.«
Emmas Miene erstarrte. Marie musste lächeln, denn es schien alles so wie früher. Fast, als wäre sie niemals fort gewesen.
In Aliénors Gemach waren Speisen aufgetragen worden, und Weinkrüge standen bereit. Marie verspürte ein Kribbeln auf ihrem Gaumen. Über ein Jahr lang hatte sie nur Bier trinken können.
Ehrfürchtig und voller Dankbarkeit beugte sie die Knie vor der Königin. Aliénor hatte sich kaum verändert, sie strahlte immer noch die alte Schönheit und Würde aus. Edelsteine blitzten an ihrem Hals und
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