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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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dir? Soll ich dir Honigwasser bringen oder etwas Wein?«
    Marie schüttelte den Kopf.
    »Ich brauche nichts. Aber wo bist du jetzt untergebracht worden?«
    Hawisa trat zögernd ein.
    »Zusammen mit den anderen Bediensteten. Ich dachte zunächst, wir würden in England bleiben, aber der Hof ist eben immer auf Reisen.«
    Marie erschrak über den niedergeschlagenen Tonfall und musterte das blasse Gesicht ihrer Zofe. Lange war sie mit
den unerwarteten Veränderungen beschäftigt gewesen, die ihr eigenes Leben genommen hatte, doch nun erkannte sie mit aller Deutlichkeit, dass Hawisa einen Geliebten verloren hatte, ohne wieder mit ihrer Familie vereint zu sein.
    »Wenn du willst, dann sorge ich dafür, dass du bei den königlichen Damen schlafen kannst. Dort wird dich kein Ritter belästigen«, sagte Marie im Bewusstsein ihrer neuen Stellung bei Hofe.
    Hawisa lächelte zaghaft.
    »Gut, dann setz dich jetzt!« Marie wies sie auf eine Bank, die neben dem Tisch stand. Dann holte sie Luft, um endlich auszusprechen, was sie seit dem vergangenen Tag beschäftigte.
    »Wer kam auf die Idee, meine Geschichte an die Königin zu schicken? Und warum wurde mir nichts gesagt?«
    Sie sah, wie ihre Zofe verlegen den Blick senkte.
    »Guy de Osteilli meinte, du hättest etwas geschrieben, nach dem ich suchen sollte. Ich fand das Pergament in der Truhe. Wir lasen deine Geschichte und waren begeistert. Dann verfasste ich einen Brief an die Königin, den dein Ritter mir diktierte. Deine Geschichte sollte ein Geschenk an sie sein, nichts weiter. Guy meinte, das wäre wirkungsvoller als alles Flehen, dich aus Wales zu holen. Aber ich sollte dir nichts erzählen, denn es ging dir so schlecht, Marie. Du hättest dich nur unnötig aufgeregt oder wärest gar dagegen gewesen.«
    Marie fuhr sich mit der Hand über die Stirn. In der Tat hätte sie damals keinesfalls zugestimmt, ihre so persönliche, geliebte Geschichte dem strengen Urteil Aliénors auszusetzen. Sie war bestohlen und hintergangen worden, doch all dies war nur zu ihrem Besten gewesen.
    »Wenn wir wieder in England sind, soll ich meine eigenen Gemächer bekommen. Du wirst meine Zofe sein und bei
mir wohnen. Dann kannst du nach London zu deiner Familie gehen so oft du willst, vorausgesetzt du vernachlässigst mich nicht ganz«, sagte sie voller Freude, der kleinen Diebin einen Gefallen tun zu können. Auch bei Guy de Osteilli würde sie sich bedanken, sobald sich eine Gelegenheit fand.
    Ein Strahlen ließ Hawisas müdes Gesicht lebendig werden.
    »Und bis dahin leistest du mir so oft wie möglich Gesellschaft«, fügte Marie hinzu. »Ich brauche jemanden, der mich versorgt, wenn ich hungrig oder durstig bin. So kann ich es der Königin erklären. Bring irgendeine leichte Arbeit mit, dann kannst du fast den ganzen Tag bei mir sitzen.«
    »Du bist jetzt wohl eine wichtige Person geworden«, meinte Hawisa mit einem verschmitzten Lächeln.
     
    Sie blieben in Angers, bis der König eintraf. Henri schien etwas korpulenter geworden zu sein, doch seine Energie hatte nicht nachgelassen. Er stürzte sich in Verhandlungen mit dem Papst, um eine Heirat zwischen seinem dritten Sohn Geoffroy und Constance, Erbin der Bretagne, zu ermöglichen, obwohl diese als zu eng verwandt galten. Maries Rückkehr an seinen Hof nahm er nur mit einem Nicken zur Kenntnis, versank gleich darauf wieder in Gespräche mit seinem Justitiar Richard de Luci. Marie erfuhr, dass außer Petronilla noch ein weiteres, bekanntes Gesicht vom Hof verschwunden war. Thomas Becket hatte sich heimlich aus England davongestohlen, nachdem er von Henri mehrfach gedrängt worden war, ein Dokument zu unterschreiben, das die Kirche endgültig dem Willen des Königs unterwarf. Nun befand er sich offenbar am französischen Hof, wo er durch ständiges Klagen und Vorwürfe gegen seinen ehemals besten Freund für Unfrieden sorgte. Henri war unruhig und bemerkenswert schlechter Laune. Selbst während der Messe blieb
er nicht still, sondern zupfte seinen Justitiar Richard de Luci immer wieder am Ärmel, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Allerdings konnte Marie sich nicht erinnern, ihren Onkel jemals völlig ruhig sitzen gesehen zu haben. Ständig schien er von dem Drang getrieben, neue Anweisungen zu erteilen, damit die Kontrolle über sein riesiges Reich ihm nicht plötzlich in einem Augenblick der Unachtsamkeit entglitt. Sie fragte sich, ob er im Schlaf still dazuliegen vermochte.
    Nur eine merkwürdige Veränderung fiel Marie auf. Als Henri sich

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