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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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nur Spucke aus ihrer Kehle. So unauffällig wie möglich wischte sie ihre Hand an einem Tuch ab. Dann setzte sie sich wieder.
    »Geht es dir nicht gut, Marie?« Emmas Augen leuchteten neugierig. »Du siehst angespannt aus in den letzten Tagen. Hat die Geschichte mit Becket dich so mitgenommen? Es ist doch fast schon ein halbes Jahr her. Bald ist Pfingsten. Die Turniere sollen trotzdem stattfinden. Zum Glück, wir brauchen alle etwas Aufheiterung. Der junge König wird wieder kommen. Was glaubst du, wird er jetzt mit Marguerite die Ehe vollziehen? Er ist doch schon langsam alt genug.
    »Aber Marguerite ist zu jung«, entgegnete Marie entschieden. Sie dachte an die warmen Blicke, die das Mädchen dem
Ritter William oft zugeworfen hatte, und empfand Mitgefühl. Für eine zukünftige Königin gab es wohl kaum eine Möglichkeit, sich heimlich ihre Wünsche zu erfüllen. Außerdem war Marguerite sehr fromm und pflichtbewusst.
    »Na ja, sie ist immerhin vierzehn. Da wird es langsam Zeit. Das Reich braucht einen Erben.« Emma biss in eine Feige. »Ich freue mich jedenfalls auf die Turniere. Du nicht auch?«
    Marie dachte, dass Régnier de Rancon mit Henry zurückkäme. Doch Jean war nun Richards bevorzugter Gefolgsmann. Régnier würde es sicher nicht wagen …
    Wieder würgte es sie und sie ging zur Fensteröffnung, um frische Luft einzuatmen. Sie musste sich beruhigen. Und nicht daran denken, dass jene Tücher, die sie regelmäßig zwischen ihre Beine legte und mit einem Gürtel festband, um das monatliche Blut abzufangen, nun schon seit über sechs Wochen unbenutzt geblieben waren.
    »Hast du eigentlich wieder eine neue Geschichte geschrieben, Marie? Die mit der Dame und ihren vier Rittern fand ich überaus gelungen. Sonst treiben es doch nur Männer so zügellos.«
    Emma kicherte. Marie biss in eine Brotscheibe. Vielleicht brauchte ihr Magen nur etwas Nahrung, um sich zu beruhigen.
    »Ich bin gerade dabei, eine neue zu verfassen. Über eine Dame, die von ihrem Geliebten schwanger wird, aber einen anderen Mann heiraten muss. Das Kind wächst in der Obhut ihrer Tante auf und wird ein tapferer Ritter, der eines Tages bei einem Turnier auf seinen leiblichen Vater trifft und …«
    Marie hielt sich mühsam an der Tischfläche fest, als ein neuer Schwall der Übelkeit ihr das Reden unmöglich machte. Krampfhaft presste sie die Lippen aufeinander, doch es nutzte nichts. Ihr Körper war stärker. Sie krümmte sich und spuckte die Brotstücke wieder aus.

    »Verzeih mir bitte. Ich muss mir den Magen verdorben haben«, murmelte sie erschöpft. Hawisa, die in einer Zimmerecke gesessen und genäht hatte, kam mit einem Becher Honigwasser herbei.
    »Es geht ihr wirklich nicht gut, wie Ihr sehen könnt.«, meinte sie an Emma gewandt. »Sie muss sich noch ein bisschen hinlegen, damit sie ihre nächste Geschichte fertig schreiben kann, bevor die Festlichkeiten beginnen.«
    Emma stand auf und lächelte spitz.
    »Wenn es das ist, was ich vermute, dann wird ein kurzes Hinlegen ihr nicht viel nützen«, sagte sie. »Ich denke, sie hat sich den Magen an jenem hübschen, blonden Ritter verdorben, der jeden Abend in ihre Gemächer schleicht.«
    Marie erstarrte. Sie glaubte, in einen Abgrund zu fallen. Immer weiter sank sie in eine schwarze Tiefe, wo sie nirgends Halt finden konnte. Cadells Drohungen, dass sie keinesfalls einen Bastard gebären durfte, hallten in ihren Ohren, vermischten sich mit der sanfteren, aber dennoch strengen Stimme Aliénors, die von ihren Damen vorsichtiges Verhalten bei Liebschaften forderte. Sie fühlte sich wie ein in die Enge getriebenes Tier, das jeden Augenblick von einer Meute zähnefletschender Hunde zerrissen werden würde.
    »Offen gesagt hätte ich es dir nicht zugetraut, kluge Nichte, so einen schmucken Kerl zu verführen«, fuhr ihre Tante fort. »Aber blind und taub bin ich nicht. Deine Gemächer liegen neben den meinen.«
    »Ich hoffe, Ihr habt geschwiegen, Ma Dame«, zischte Hawisa, während sie Maries Gesicht säuberte.
    »Natürlich habe ich das, ich bin gar nicht so schlimm, wie ihr alle immer glaubt«, meinte Emma belustigt. Marie verbarg ihr Gesicht in den Händen. Welchen Sinn hatte es, sich weiter gegen die Wahrheit zu wehren, wenn sogar Emma ihren Zustand erkannt hatte? Über ein Jahr lang war
sie glücklicher gewesen als jemals zuvor in ihrem Leben, doch nun stürzten die Folgen ihres Leichtsinns auf sie ein.
    »Was mache ich jetzt?«, murmelte sie in das Dunkel ihrer Handflächen. »Was soll

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