Die Diebe von Freistaat
habe nicht die Absicht, sie mir zu verderben oder die körperlichen Attribute zu verlieren, die erforderlich sind, mich hin und wieder deiner liebreizenden Mädchen anzunehmen.«
Sie lachte noch lauter, das hörte er, als er bereits die Straße erreichte, und das verriet ihm, daß die erfolgreiche Gelicia seinen kleinen Spaß schließlich verstanden hatte. Das Viertel der Roten Laternen war zu dieser Tageszeit eine recht ruhige Gegend, nachdem der Staub und die Spuren der nächtlichen Kunden beseitigt worden waren. Nun wurden Bettücher gewaschen; Besorgungen gemacht; das Schloß eines Hauses hier repariert. Cusharlain blinzelte hoch. Der Feind, eine entsetzliche, weißglühende Kugel an einem entsetzlichen Himmel, der die Farbe von Gilbwurzpulver, von Safran durchzogen, annahm, stand hoch und hatte den Mittag fast überschritten. Eindaumen dürfte inzwischen auf sein. Cusharlain beschloß, auch ihn gleich aufzusuchen und sich mit ihm zu unterhalten, dann könnte er seinen Bericht vielleicht noch bis Sonnenuntergang fertigstellen. Sein Auftraggeber schien weit weniger Geduld als Geld zu haben. Der Zollinspektor einer verkommenden Stadt, dessen Hauptunternehmen Diebstahl und die Beseitigung seiner F olgen war, hatte ersteres erfahren und war nun dabei, seinen Anteil zu letzterem beizutragen.
»Hat was?« fragte die bildschöne Frau. »Wanzen? Was heißt wanzen?«
Ihr Begleiter, der kaum älter als die Siebzehn- oder Achtzehnjährige war, mußte sich zusammennehmen, um sich nicht besorgt umzusehen. »Psst! Doch nicht so laut! Wann kommen Wanzen aus ihrem Bau?«
Sie blinzelte den schwarzhaarigen, so angespannten jungen Mann an. »Wie-wieso? Des Nachts?«
»Genau wie Diebe.«
»Oh!« Sie klatschte lachend in die Hände, daß ihre Armreifen - ohne Zweifel aus Gold - klimperten, und legte eine Hand auf seinen Arm. »Oh, Hanse, ich weiß so wenig und du so viel.« Ihre Miene veränderte sich. »Diese Härchen sind wie Flaum!« Sie nahm die Hand nicht fort von dem Arm mit den dunklen, dunklen Härchen.
»Die Straße ist mein Zuhause. Sie hat mich geboren und genährt. Ja, ich weiß eine Menge.«
Er konnte noch immer nicht so recht an sein Glück glauben: daß er hier, außerhalb des Labyrinths, in einem anständigen Weinhaus saß, mit dieser wahrhaftig schönen Lirain, die - bei den Tausend Augen und auch bei Eshi, konnte es wirklich wahr sein? — eine der Konkubinen war, die der Prinz-Statthalter von Ranke mitgebracht hatte. Und sie ist offenbar fasziniert von mir, dachte Hanse. Er benahm sich, als säße er jeden Nachmittag hier in der Goldenen Oase mit einer wie sie. Welch ein Zufall, welch ungeheures Glück, im Basar so auf sie gestoßen zu sein. Und im wahrsten Sinne des Wortes gestoßen. Sie war gelaufen und er hatte über die Schulter nach einem von Jubais Kinderschrecks geschaut, da waren sie zusammengeprallt und mußten sich aneinander festhalten, um nicht zu fallen. Sie war so verlegen gewesen, hatte sich immer wieder entschuldigt und offenbar ihre Unachtsamkeit wiedergutmachen wollen - und so saßen sie nun hier, er, Hanse, und diese Schöne aus dem Palast, unbewacht und unbeobachtet. Und allein von dem, was sie an sich trug, hätte er ein ganzes Jahr in Freuden leben können. Er bemühte sich sehr, überlegen zu wirken.
»Dir scheint mein Vorbau zu gefallen, nicht wahr?«
»Wa-as?«
»Oh, tu nicht so. Ich bin ja nicht dumm. Wenn ich nicht wollte, daß man ihn ansieht, würde ich ein hochgeschlossenes, unförmiges Gewand tragen.«
»Uh - Lirain, ich habe außer deinem bisher nur ein einziges anderes perlenbesticktes Seidenmieder gesehen—und das war nicht so fein mit Goldfaden bestickt und hatte nicht so viele Perlen, auch konnte ich da nicht so nah herankommen.« Verdammt, dachte er, ich hätte ihr Komplimente machen und nicht sie wissen lassen sollen, daß mein Interesse meiner Unersättlichkeit entsprang und ich mich für die Verpackung und nicht den Inhalt interessierte!
»Oh! Diese Enttäuschung! Hier bin ich, eine von sieben Frauen für nur einen Mann, und gelangweilt, und ich dachte, du wolltest in mein Mieder, dabei willst du lediglich das Mieder ohne Inhalt. Was soll da ein armes Mädchen tun, das an die Schmeicheleien von Höflingen und Dienern gewöhnt ist, wenn ein echter Mann unverblümt die Wahrheit spricht?«
Hanse versuchte, nicht zu zeigen, wie geschmeichelt er sich fühlte, aber er wußte auch nicht, wie er sich entschuldigen sollte, und Phrasen dreschen — außer solche, wie sie
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