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Die Diebe von Freistaat

Die Diebe von Freistaat

Titel: Die Diebe von Freistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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größte an ihm war. Von Gestalt war er eher mittelmäßig, hager, drahtig — von flinker Drahtigkeit—und mit diesen großen Muskelknoten an Oberarmen und Waden, wie viele Männer sie sich wünschen.
    Nachtschatten! Das genügte als Beschreibung. Seine Herkunft war schattenhaft, und er arbeitete des Nachts. Vielleicht war er im Schatten von Abwind geboren oder drüben in Syr. Es spielte keine Rolle. Er gehörte nach Freistatt und wünschte sich, es gehörte ihm. Er benahm sich auch so, als wäre das der Fall. Wüßte oder vermutete er nur, daß er von Abwind gekommen war, wäre er nun jedenfalls überzeugt, daß er längst darüber hinausgewachsen war. Er hatte ganz einfach keine Zeit für diese Straßenbanden, deren Anführer er ansonsten zweifellos geworden wäre.
    Er wußte genausowenig wie andere, wie alt er war. Vielleicht zählte er bereits zwanzig Sommer, möglicherweise aber auch weniger.
    Er hatte schon einen beachtlichen Schnurrbart gehabt, noch ehe er fünfzehn gewesen war.
    Das an den Seiten wie Rabenflügel geschnittene, leicht gelockte Haar bedeckte zwar seine Ohren, reichte jedoch nicht bis zu den Schultern. Er trug einen Ring unter dem Haar, am linken Ohr. Das wußten nur wenige. Mit vierzehn hatte er ihn sich anbringen lassen, um sie zu beeindrucken, die ihm in jenem Jahr die Unschuld genommen hatte. (Sie war damals zweimal zwanzig und zwei Jahre gewesen und hatte einen Mann wie ein Quaderstein mit Bauch. Jetzt ist sie ein altes Weib mit einem noch größeren Bauch als ihr Ehegespons zu jener Zeit.) »Seine Wimpern unter diesen buschigen, glänzenden Brauen sind so schwarz und dicht, daß sie getuscht aussehen wie die einer Frau oder der Priester in Yenized«, sagte ein Mann mit dem Spitznamen Wiesel zu Cusharlain im Einhorn. »Irgend so ein Dummkopf sagte das mal in seiner Gegenwart. Die Narben wird er nie loswerden, und er ist froh, daß er noch einmal mit der Zunge und dem Leben davongekommen ist. Er hätte wissen sollen, daß ein Bravo mit zwei Wurfmessern am rechten Arm gefährlich und linkshändig ist. Und mit einem Namen wie Nachtschatten ...!«
    Er hieß natürlich nicht wirklich Nachtschatten. Gewiß, viele kannten seinen wirklichen Namen nicht oder erinnerten sich nicht mehr daran. Er hieß Hanse, ganz einfach Hanse. Nicht Hanse Nachtschatten. Die Leute nannten ihn entweder bei dem einen oder dem anderen oder bei gar keinem Namen.
    Er schien die ganze Zeit in einen Umhang gehüllt zu sein; das jedenfalls hatte eine sehr nachdenkliche S ’ danzo einmal zu Cusharlain gesagt. Nicht in einen richtigen, stofflichen Umhang, sondern in einen unsichtbaren, der seine Miene, sein inneres Ich verbarg. Manche sagten, seine Augen seien verhüllt wie die einer Kobra. Das stimmte aber nicht. Sie schienen lediglich nicht nach außen gerichtet zu sein, diese glitzernden schwarzen Onyxe, die seine Augen waren. Vielleicht war ihr Blick auf den unsichtbaren Kamm gerichtet, den er als Kampfhahn ja wohl haben und der riesig sein mußte.
    Des Nachts stolzierte er nicht, außer er betrat eine Schenke. Die Nacht war natürlich Hanses Zeit, so, wie sie Klauers gewesen war. Des Nachts »schleicht Hanse wie eine hungrige Katze«, behaupteten so manche und schauderten vielleicht dabei. Auch das stimmte nicht ganz. Er schlich nicht, er glitt dahin. Die weichen Sohlen seiner Stiefel hoben sich bei jedem Schritt höchstens einen Fingerbreit, und sie senkten sich auf die Ballen, nicht die Fersen. Manche machten sich darüber lustig, doch nicht Hanse ins Gesicht, denn sein Gang wirkte dadurch recht ungewöhnlich. Die Höhergeborenen beobachteten ihn mit ästhetischer Faszination und nicht ganz ohne Grauen. Bei den Frauen, ob nun höhergeboren oder nicht, war die Faszination mit Interesse durchzogen, obgleich manchmal unwilligem. Die Bemerkung der meisten war vorhersehbar: ein ekliges, ziemlich sinnliches Tier, dieser Hanse, dieser Nachtschatten.
    Man hatte ihm gesagt, daß gezieltes Üben ihn zu einem Meisterfechter machen könnte: er schien dazu geboren zu sein. Eine Anstellung, eine Uniform — doch daran war Hanse nicht interessiert. Tatsächlich verachtete er Soldaten und Uniformen. Und nun haßte er sie sogar, mit einer Art kalter, unvernünftiger Vernunft. All das erfuhr Cusharlain, und er begann ihn, den sie Nachtschatten nannten, gut kennenzulernen—und immer weniger zu mögen. Hanse erschien ihm zu jener Art übertüchtiger, selbstgefälliger Hüpfer zu gehören, denen man auf dem Bürgersteig Platz

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