Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben
Kaffee und die mitgebrachten Brötchen. Judith
hielt sich eine Pistole an die Schläfe und drückte ab. Wasser rann ihr über die
Wange. Greta lachte sich kaputt. Sie war hochzufrieden mit Judiths Trostpreis:
einem Strandset mit Kinderspielzeug. Gestiftet von Lidl. Zusammen mit Max
schippte sie begeistert Sand und sprang in die Kuhle.
Plötzlich stimmte Kiki
in Gretas Lachen ein: »Du hättest dein Gesicht sehen sollen, als man dir auf
der Bühne den Preis überreichte.«
»Ich habe noch nie
einen Blumentopf gewonnen«, gab Judith zu. »Ich war überwältigt.«
Dann wurde es wieder
still. Gedankenverloren starrten sie auf das Meer. Am Horizont zog ein
Passagierschiff mit Kurs auf die Insel Rügen seine schnurgerade Bahn.
»Nächstes Jahr gehen
wir auf Kreuzfahrt«, schlug Estelle vor. »Nach Helsinki.«
»Von welchem Geld
genau?«, erkundigte sich Kiki.
»Auf den großen
Schiffen suchen sie immer Personal«, verkündete Judith.
»Ich könnte Schiffsarzt
werden«, kicherte Eva.
»Garten umgraben«,
schlug Estelle vor. »Da bin ich gut drin.«
Allgemeine Heiterkeit
machte sich breit: »Estelle wird Hochseegärtner. Ich sehe dich schon auf Deck 7
Rasen mähen«, stellte Caroline sich vor.
Estelle verteidigte
ihre Vision: »Irgendeiner muss sich doch um die Pflanzen kümmern auf den
Schiffen. Die müssen auch mal umgetopft werden.«
»Und Oskar?«
»Auf der Queen Mary
gibt es einen Hundezwinger. Und eine eigens eingerichtete Straßenlaterne«,
wusste Estelle. »Da kommt dann ein schmucker Steward und führt ihn Gassi. Das
wäre was für Max.«
Max konnte dem wenig
abgewinnen: »Und abends schiebe ich reiche Witwen über die Tanzfläche. Sonst
geht es euch gut, oder?«
Nein, ging es nicht.
Denn die Probleme ließen sie auch hier nicht los. Estelles Telefon klingelte.
»Sabine«, stöhnte sie
beim Blick auf das Display.
Seit Tagen hatte sie
auf Sabines Rückruf gewartet. Jetzt, wo es so weit war, hatte sie Lust, ihr
Telefon in der Ostsee zu ertränken.
»Nicht drangehen hilft
nur bedingt«, meinte Caroline. Sie wusste, wovon sie sprach.
Estelle nahm ab. Viel
sagen musste sie nicht. Nur zuhören. Und dann für die Freundinnen
zusammenfassen: »Steiner hat Sabine gesagt, dass ich Bescheid weiß. Sie kommt
heute Nachmittag«, berichtete sie.
Sie atmete schwer
durch: »Ich bin bereit für den Showdown.«
62
Kiki hatte ihre Zweifel.
»Und wenn es nicht klappt?« Sie hatte noch so viel erledigen wollen, bevor sie
ihr Werk kritischen Investoren präsentierte.
Gemeinsam mit Max lief
sie dicht am Meeresrand entlang. Die Fußabdrücke, die sie im nassen Sand
hinterließen, wurden durch die Wellen sofort wieder weggeschwemmt. Vielleicht
erging es ihr mit der Sandkrugschule ähnlich? Kiki war erleichtert, Max trotz
aller Streitigkeiten an ihrer Seite zu wissen. Wenigstens musste sie sich nicht
alleine der Konfrontation mit dem Stiftungsrat stellen.
Max nahm Kiki in den
Arm: »Was macht es schon aus? Wir leben jetzt seit einem Jahr so. Wir halten es
noch ein bisschen länger aus.«
Kiki antwortete nicht.
Sie hatte nicht aufgepasst und war auf eine Qualle getreten. Barfuß. Das
durchsichtige Gallert quoll zwischen ihren Zehen hindurch.
Angeekelt sah sie, dass
die ganze Wasserlinie voll mit den toten Nesseltieren war. Glücklicherweise
keine Feuerquallen.
»Wenn das mit dem
Bed & Breakfast nichts wird«, schlug Max vor, »steigen wir in den
Handel mit Quallen ein.«
Kiki war dabei, ihre
Füße im Ostseewasser zu säubern. Das Wasser war eiskalt, das Gelee ebenso
glibberig wie hartnäckig. »Prima Idee«, meinte sie. »Noch etwas, wovon wir
keine Ahnung haben.«
»Du vielleicht«,
widersprach Max. »Ich kann dir genau sagen, dass du gerade eine männliche
Qualle zertreten hast.«
Kiki sah überrascht
auf. Bei Max wusste man nie genau, ob er Witze machte.
»Diese vier Kreise, das
sind die männlichen Geschlechtsorgane«, sagte er und wies auf ein unversehrtes
Prachtexemplar. »Weibliche Quallen besitzen orangefarbene Larven in ihrem
Inneren.«
Kiki starrte Max an,
als käme er von einem fremden Planeten.
»Wir haben dem
Hamburger Hotel einen maritimen Anstrich gegeben«, gab Max zu. »Wenn man
Riesenquallen an die Restaurantwände projiziert, sollte man wissen, mit wem man
es zu tun hat.«
Kiki war ein bisschen
neidisch auf Max, seine Aufträge und die damit verbundene Auszeit vom
Renovieren. Das hatte sie immer an ihrem Beruf gemocht: sich in neue Themen
einzuarbeiten. Vielleicht sollte sie in die
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