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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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unglücklich, denn sie hatte hier einen glücklichen Fang gemacht, mit Steak und Kartoffeln und heißer Schokolade, im Bett zwischen sauberen Laken in einem vornehmen Hotel. Einem glänzenden neuen Hotel mit Dampfzentralheizung, obwohl sie das unaufhörliche Gurgeln und metallische Schlagen in dem verschnörkelten und mit Goldfarbe gestrichenen gusseisernen Heizkörper mit Freuden gegen den knisternden Feuerschein eines offenen Kamins eingetauscht hätte.
    Und er war ein gut aussehender Bursche, dieser Mick Radley, das musste sie zugeben, sehr elegant gekleidet. Er hatte das Moos und war großzügig damit, und er hatte noch nichts Ekelhaftes oder Gemeines verlangt. Sie wusste, dass es nicht von Dauer sein würde, weil Mick ein reisender Herr aus Manchester war und bald abreisen würde. Aber es war Gewinn mit ihm zu machen, und vielleicht noch mehr, wenn sie es fertigbrachte, sein Bedauern über die Trennung zu verstärken, und damit seine Großzügigkeit.
    Mick lag unter dem dicken Federbett und hatte die manikürten Finger hinter den mit der Brennschere gelockten Kopf gesteckt. Ein seidenes Nachthemd mit Spitzen vorne – nur das Beste für Mick. Nun schien er zum Reden aufgelegt. So war es bei den meisten Männern, zumindest nach einer Weile – und hauptsächlich ging es dabei um ihre Frauen.
    Aber bei Mick ging es stets um die Politik. »Also hasst du die Lords, Sybil?«
    »Warum sollte ich nicht?«, versetzte sie. »Ich habe meine Gründe.«
    »Das glaube ich dir gern«, sagte Mick bedächtig, und der Blick kühler Überlegenheit, den er ihr dabei zuwarf, ließ sie erschauern.
    »Was … willst du damit sagen, Mick?«
    »Ich kenne deine Gründe, die Regierung zu hassen. Ich habe deine Bürger-Nummer.«
    Erstaunen machte sie sprachlos, dann Furcht. Sie setzte sich im Bett aufrecht. In ihrem Mund war ein Geschmack wie kaltes Eisen.
    »Du verwahrst deine Karte in der Handtasche«, sagte er. »Ich ging mit der Nummer zu einem vortrefflichen Magistrats beamten, den ich kenne. Er ließ sie für mich durch eine Regierungsmaschine laufen und druckte deine Bow-Street-Akte aus, rat-a-tat-tat , wie zum Spaß.« Er grinste. »Also weiß ich alles über dich, Mädchen. Weiß, wer du bist.«
    Sie versuchte, der Herausforderung kühn zu begegnen. »Und wer bin ich somit, Mr. Radley?«
    »Keine Sybil Jones, Kindchen. Du bist Sybil Gerard, die Tochter von Walter Gerard, dem Ludditenagitator.«
    Er hatte ihre verborgene Vergangenheit ausgeforscht!
    Irgendwo schnurrten Maschinen und spannen die Geschichte aus.
    Mick beobachtete ihr Gesicht, lächelte darüber, was er dort sah, und sie erkannte einen Ausdruck, den sie schon bei Laurent’s gesehen hatte, als er sie von der anderen Seite des überfüllten Tanzbodens ausgemacht hatte. Einen hungrigen Ausdruck.
    Ihre Stimme bebte. »Wie lange weißt du schon über mich Bescheid?«
    »Seit unserer zweiten Nacht. Du weißt, ich reise mit dem General. Wie jeder andere bedeutende Mann, so hat auch er Feinde. Als sein Sekretär und seine rechte Hand kann ich mir keine Risiken mit Fremden leisten.« Mick legte seine grausame, feste kleine Hand auf ihre Schulter. »Du hättest jemandes Agentin sein können. Es war eine geschäftliche Entscheidung.«
    Sybil wich zurück. »Einem hilflosen Mädchen nachspionieren«, sagte sie schließlich. »Du bist ein richtig gemeiner Kerl, ja, das bist du!«
    Aber ihre Beleidigung schien ihn kaum zu berühren – er war kalt und hart, wie ein Richter oder eine Lordschaft. »Es mag sein, dass ich spioniere, Mädchen, aber ich benütze die Regierungsmaschinerie für meine eigenen Zwecke. Ich bin kein Polizeispitzel, der bis in die Familienangelegenheiten eines Revolutionärs wie Walter Gerard herumschnüffelt – ganz gleich, wie die Lords der Radikalen Partei ihn heute nennen mögen. Dein Vater war ein Held.«
    Er wälzte sich auf die Seite, um sie besser zu sehen. » Mein Held – das war Walter Gerard. Ich sah und hörte ihn in Manchester über die Rechte der Arbeitenden sprechen. Er war ein wunderbarer Redner – wir alle jubelten, bis wir heiser waren! Die guten alten Höllenkatzen …« Micks glatte Stimme war scharf und tonlos geworden, er sprach jetzt mit der Klangfarbe des Nordens. »Schon mal von den Höllenkatzen gehört, Sybil? In den alten Zeiten?«
    »Eine Straßenbande«, sagte sie. »Raue Burschen in Manchester.«
    Mick runzelte die Stirn. »Wir waren eine Bruderschaft! Eine Jugendgruppe, die aus Freundschaft zusammenhielt! Dein Vater kannte

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