Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft
Mittel an eine wirkliche Veröffentlichungspflicht für die Empfänger der Mittel bindet, so lange wird das wohl auch so bleiben. Aber die Welt der Wissenschaft ist beileibe nicht der einzige Bereich, in dem althergebrachte Geschäftsmodelle zeitgemäßen Lösungen im Wege stehen, wie wir im Folgenden sehen werden.
Geistiges Eigentum und Urheberrecht
Was haben der Song ›Your Woman‹ von White Town, Karl-Theodor zu Guttenberg, ›Down Under‹ von Men at Work und der Streit um Klone von Apples iPad miteinander gemeinsam? Es geht um das Urheberrecht. Wer etwas erfindet, etwas Neues schafft, der soll darüber entscheiden können, was damit passiert. Sein Werk ist sein nicht ganz korrekt so genanntes »geistiges Eigentum«, ein immaterielles Gut. Er oder sie soll die Hoheit darüber haben. Die Autoren dieses Buches haben das Urheberrecht daran, sofern ihnen keine Plagiate, d. h. die Aneignung fremder geistiger Leistungen ohne Kenntlichmachung, nachgewiesen werden können. Das klingt ganz einfach. Doch das Urheberrecht ist eine der größten Baustellen auf dem Weg in die digitale Gesellschaft.
Das Urheberrecht und seine Abkömmlinge sind Erfindungen des Zeitalters der maschinellen Vervielfältigung. Erst mit der Erfindung des Buchdrucks wurde es ja mit geringerem Aufwand möglich, die Werke eines Autors zu vervielfältigen. So etwas wie ein Urheberrecht gab es danach aber noch lange nicht. 1710 wurde in Großbritannien das »Statute of Anne«, benannt nach der gleichnamigen englischen Königin, in Kraft gesetzt: Die Autoren mussten ihre Werke registrieren, um sodann für 15 Jahre, verlängerbar um weitere 15 Jahre, die exklusiven Vervielfältigungsrechtean ihrem Werk zu besitzen. Das Recht, ein Buch zu veröffentlichen und zu vervielfältigen, konnte man an einen Dritten vergeben, einen Buchdrucker, der oft zugleich auch den Verkauf übernahm. Damals gab es die heutige klare Arbeitsteilung zwischen Verlagen, Buchdruckern und Buchhandel noch nicht. Die Buchdrucker waren in der Regel zugleich auch die Buchhändler.
Mit dem Urheberrecht erhält die Leistung derer, die Werke schaffen, eine gesetzliche Grundlage, die zugleich die Garantie dafür sein soll, dass auch die Einkünfte aus dem Verkauf des Werks für Autoren, Künstler oder andere Kreative gesichert sind. Wer ein Buch schreibt, benötigt hierfür in der Regel Monate, mitunter Jahre. Wer ein Musikstück komponiert und arrangiert, verbringt damit oft Wochen oder Monate. Bei Einzelpersonen wie bei einem Autor oder Komponisten ist die Urheberschaft noch verhältnismäßig einfach festzustellen. In manchen urheberrechtsrelevanten Bereichen, beim Film, aber auch zum Beispiel bei Computerspielen, sind an der Schaffung eines Werks unter Umständen jedoch mehrere hundert Menschen über einige Jahre beschäftigt. Im Abspann der heutigen Kinofilme, in dem alle Mitwirkenden genannt werden, kann man dann die Namen nachlesen, auch wenn der Abspann oft viel zu schnell läuft, als dass man sie noch mitbekäme.
Der spektakulärste Plagiatsfall in Deutschland war zuletzt der Fall des Karl-Theodor zu Guttenberg. Guttenbergs Geschichte ist nicht nur die eines gefallenen politischen Hoffnungsträgers. Sie zeigt auch beispielhaft die Möglichkeiten und die Macht der digitalen Welt. Guttenberg hatte sich in seiner Doktorarbeit nicht an die Regeln des wissenschaftlichen Zitierens gehalten, die besagen, dass man wörtliche Zitate als solche kennzeichnen und die Quellen, die Urheber, angeben muss. Bei der »Komposition« seiner Doktorarbeit hatte er erheblich davon profitiert, dass die Quellen, aus denen er »schöpfte«, digital zugänglich waren. Sonst wäre das so wohl nicht möglich gewesen. Er bediente sich aus Erstsemesterhausarbeiten, aus Zeitungsartikeln, Werken etablierter Wissenschaftler und anderen Quellen.
Es wäre aber ohne das Netz auch nicht möglich gewesen, diese Kopiertätigkeit in dem Umfang aufzudecken. Nachdem der erste Verdacht aufgekommen war, jagte ihn eine Vielzahl Internetnutzer im »Guttenplag-Wiki«. Sie suchten die Originalezu seinen Kopien. Die Jäger des damaligen Bundesministers der Verteidigung waren eine bunte Schar: Jeder konnte mitsuchen, Fundstellen eintragen und wieder von anderen gegenprüfen lassen. Unter ihnen fanden sich promovierte Wissenschaftler, Schüler, Privatgelehrte und Privatleute gleichermaßen. Am Anfang dachte Guttenberg offenbar noch, er könnte mit dem bloßen Abstreiten der Vorwürfe durchkommen. Mit jeder gefundenen
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