Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft
reichen, westlichen Welt mit ihren entsprechenden Märkten gleich lang sein. In den USA hat das Repräsentantenhaus 1998 den sogenannten Sonny-Bono-Copyright-Term-Extension Act beschlossen. Das U S-Parlament wurde zu diesem Schritt vor allem von mächtigen Unternehmen gedrängt: Vor allem ein Imperium, das auf der Basis von Comics entstanden war, hatte Angst um sein Geschäftsmodell.
Steamboat Willie wurde mit dem gleichnamigen Kinofilm erst in seinem Heimatland USA, dann auf der ganzen Welt das vermutlich einzige Nagetier, das seinem Erfinder viele Millionen, nun ja, Mäuse einspielte. Als Steamboat Willie am 18. November 1928 zum ersten Mal in New York aufgeführt wurde, konnte mit dem sich anschließenden Erfolg der schlauen »Mickey Mouse« niemand rechnen. Und schon gar nicht Walt Disney, der zusammen mit Ubbe Iwerks die Idee hatte und der der Maus die ersten 20 Lebensjahre auch seine Stimme lieh. Um die Zeichentrick-Maus und ihre Verwandten entstand ein Konzern, der Dagobert-Duck-ähnlich den Geldspeicher der Walt Disney Company füllte.
Inzwischen ist Micky Maus alt geworden, viel älter als ihr Schöpfer Walt Disney. Der starb im Dezember 1966, und damit wäre die prominente Maus nach damaligem U S-Recht spätestens im Jahr 2017 zu Allgemeingut geworden. Jeder hätte dann mit der Comicfigur tun und lassen können, was er will. Dass das dem Interesse der Disney Company widersprach, liegt auf der Hand: Sie kann noch heute bei jeder Nutzung des Rundkopfes mit Scheibenohren die Hand aufhalten und lässt sich dieses Recht auch teuer bezahlen. Disney gehörte zu den treibenden Kräften dieser Verlängerung des Copyrights, zusammen mit anderen, die davon unmittelbar oder mittelbar wirtschaftlich profitierten. Mit der ursprünglichen Idee des Urheberrechts hat dies alles nichts mehr zu tun: Es geht nicht mehr nur darum, dass derjenige, der eine Idee hat, der sich kreativ betätigt, auch davon profitieren soll.
Manche Rechte vorbehalten
Die Macht und der Einfluss der Unterhaltungsindustrie in den USA sind groß. Immerhin finanziert sie den Wahlkampf vieler Politiker mit. Einige Wissenschaftler und Aktivisten in den USA sind beinahe verzweifelt an der Debatte über die Freunde des Mäuserichs und ihren politischen Einfluss. Sie verstehen die weitere Verlängerung des Copyrights als Behinderung des freien Austausches in Kultur und Wissenschaft zugunsten von kommerziellen Einzelinteressen. Solange das Copyright besteht und »alle Rechte vorbehalten« sind, muss man den oder die Urheber oder Inhaber des Urheberrechts vor jeder Nutzung eines Werks um Erlaubnis fragen und gegebenenfalls teuer dafür bezahlen, gleichgültig, für welche Zwecke man das Werk nutzt, ob kommerziell oder nicht-kommerziell.
Eine kleine Gruppe um Lawrence Lessig, Juraprofessor an der Harvard Law School, hatte eine hervorragende Idee, die auf den Erfahrungen und Erfolgen der Freien-Software-Community beruhte. Sie gründete das »Creative Commons«-Projekt, kurz CC. Die einfache Idee dahinter ist: Aus »Alle Rechte vorbehalten« wird »Manche Rechte vorbehalten«. Creative Commons entwickelte eine Art Baukasten für Kreative, mit dem sie ihre Werke mit vordefinierten Nutzungsfreiheiten versehen können. Sie können selbst entscheiden, ob ihr Werk zu nicht-kommerziellen oder zu kommerziellen Zwecken ohne weitere Erlaubnis weitergenutzt werden darf. Und sie können anderen erlauben, das eigene Werk weiter zu entwickeln, also zu remixen, oder auch lediglich zu kopieren. Und wenn sie das zulassen, können sie auch die weiteren Bedingungen der Nutzung definieren und eine »Re-Privatisierung« verhindern, indem sie zur Voraussetzung für die freie Nutzung machen, dass alle Weiterentwicklungen auch für andere frei zugänglich sein müssen. Die einzige Grundbedingung bei all diesen Wahlfreiheiten ist: Der Urheber steht im Mittelpunkt und muss immer genannt werden.
In den ersten Jahren haftete Creative-Commons-Lizenzen ein Amateur-Image an. In Deutschland ist diese Ansicht immer noch weit verbreitet. Das Modell ist hier teilweise mit dem althergebrachten Urhebermodell nicht kompatibel, weil dieses an einigen Stellen die Nutzung dieser neuen Lizenzierungsformenblockiert. So können Musiker nicht gleichzeitig Mitglied in der Verwertungsgesellschaft GEMA sein und Werke unter einer offenen Lizenz veröffentlichen. Deshalb bleiben die Musiker im Regelfall in der GEMA, da sie sonst Geld verlieren würden, das ihnen eigentlich zusteht.
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