Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Dilettanten

Titel: Die Dilettanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Wieczorek
Vom Netzwerk:
kärglichen DGB-Proteste gegen die Regierung sind »moderat« und wirken inszeniert. Im Wahlkampf 2005 verzichtet DGB-Vize und SPD-Bundesvorstand Ingrid Engelen-Käfer zwar scheinheilig auf eine Wahlaussage, betont aber demonstrativ die Nähe zu SPD und Grünen. In ähnlicherManier präsentiert der DGB Hamburg Anfang 2008 Prüfsteine zur Bürgerschaftswahl, die nur SPD, GAL und Die Linke annähernd erfüllen.
    Die These, die Gewerkschaften würden die Politik bestimmen, stellt daher die Wirklichkeit auf den Kopf – man denke nur an die erwähnte Zustimmung des »SPD-Gewerkschafters« Klaus Brandner zur Rente ab 67.
    Dabei ist die Personalunion von DGB-Gewerkschaften und Politik noch immer charakteristisch. Derzeit sind 221 Bundestagsabgeordnete Mitglied in DGB-Gewerkschaften, darunter 161 von 222 der SPD, 36 von 53 der Partei Die Linke, 13 von 51 der Grünen, 10 von 223 der CDU/CSU und einer von 61 Abgeordneten der FDP. Doch lediglich etwa dreißig von ihnen sind »Hauptamtliche«, und davon wiederum etwa die Hälfte sind oder waren Funktionäre oder freigestellte Betriebsräte der IG Metall.
    Allerdings gerät die Gewerkschaftsspitze mit zunehmendem Erstarken der Linkspartei auch innerhalb des DGB in Handlungszwang: Schließlich besagt eine alte Politweisheit, dass man eine Bewegung
anführen
muss, um sie in die Sackgasse zu
führen
. Stellt man sich nämlich offen auf die Seite der Arbeitgeber wie etwa die DGB-Gewerkschaft
Transnet
im Lokführerstreik, ist man schnell isoliert und kann seiner »Abwieglermission« nicht gerecht werden. Daher greift man wieder verstärkt zu markigen Sprüchen ebenso wie zu Arbeitskämpfen und Warnstreiks. Die Frage ist also nicht, inwieweit die Gewerkschaftsführer die Kreise der Politik stören, sondern ob sie auch künftig als Hilfstruppen der Politik agieren können. Dazu wiederum brauchen sie auch die Politik und die Wirtschaft: Denn einerseits ist es ja verlockend, im Sinne des Marktradikalismus die DGB-Organisationen zu zerschlagen, durch arbeitgeberfinanzierte »gelbe« Gewerkschaften und durch machtlose oder gar gekaufteBetriebsräte zu ersetzen. Andererseits weiß man nie, welchen Gruppen sich verzweifelte, aber irgendwann kampfbereite Arbeitnehmer sich anschließen und zu welchen Mitteln sie greifen werden. Schließlich war der
soziale Friede
ein wesentlicher Grund für das
Wirtschaftswunder
im Nachkriegsdeutschland. Auch damals allerdings hat nie der Schwanz Gewerkschaft mit dem Hund Politik gewedelt, sondern umgekehrt.
4. Um Gottes willen – Die Kirchen
    Die Amtskirche verhält sich zu den Christen wie die Gewerkschaftsführung zur Arbeitnehmerschaft. 31,2 Prozent der Deutschen gehören der katholischen, 30,8 Prozent der evangelischen Kirche an.
    Diese Menschen sind selbstverständlich mehrheitlich keine Vorzeigechristen, andererseits kann man vermuten, dass sie die Ansprüche des christlichen Menschenbildes im Großen und Ganzen teilen.
    Der europäische Durchschnittsbürger – egal ob Katholik, Protestant oder »Nichtchrist« – verbindet mit dem Menschenbild des überlieferten Christus Begriffe wie »Nächstenliebe«, »Barmherzigkeit«, »Abgeben«, »Teilen« oder »Geben ist seliger als nehmen«.
    Und je mehr diese Bürger die christlichen Kirchen – ob zu Recht oder nicht – als Vertreter dieser Solidaritätsmoral sehen, desto größer deren Einfluss und ihre Gefahr für den Marktradikalismus.
    Davon allerdings konnte in den letzten Jahren keine Rede sein, im Gegenteil: So lobte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, im Frühjahr 2005 ausdrücklich die Agenda 2010: »Natürlich stehen wir denMenschen zur Seite, die Sorgen um elementare Zukunftsfragen haben. Aber wir wollen … gleichzeitig, dass unser Sozialstaat zukunftsfähig gemacht wird. Unsere Kirche sagt: Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Mut zu Reformen … Ich weiß, dass Menschen, die aus einem relativ hohen Verdienst kommen, solche Einschnitte als sehr schmerzlich empfinden. Aber ich sage: Ein gewisser Abstieg wird unvermeidlich sein … Auch wenn es für Menschen, die aus einem vorher besseren Lebensstandard kommen, nur schwer akzeptabel ist: Als Grundsicherung wird das zurzeit ausreichen müssen.« 321
    Noch begeisterter schwamm die katholische Kirche im neoliberalen Mainstream mit: So ließ sich die deutsche Bischofskonferenz ihr Impulspapier
Das Soziale neu denken
vom 12. Dezember 2003 direkt vom Industriesprachrohr Initiative Neue Soziale

Weitere Kostenlose Bücher