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Die Dilettanten

Titel: Die Dilettanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Wieczorek
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ein.
    Spielräume gibt es also genug. Folglich ist das, was die Politik derzeit daraus macht, aus der Sicht der Bevölkerung dilettantisch, aus der Sicht der Reichen allerdings recht effektiv.
    So sieht das auch – mit umgekehrten Vorzeichen – Ex-Bundespräsident Roman Herzog, der im Frühjahr 2008 die Reformpolitik der vergangenen zehn Jahre »dilettantisch« nennt. Es sei»zu vieles hochtrabend Reform genannt worden, was in Wahrheit Kleckerkram war«. Eine Entlastung der Bruttolöhne von Steuern und Abgaben sei der beste Weg, mehr Reformbereitschaft unter den Deutschen zu wecken. 316
2. Die Wirtschaft: Nur wenn der Pilot seinen Stoff kriegt …
    Das Dogma »Nur wenn’s der Wirtschaft gutgeht, geht es dem Volk gut« beschreibt das ewige, weil grundsätzliche Problem der Marktwirtschaft. In der Regel ist es Quelle schamloser Erpressungen: »Weil es Arbeitsplätze rettet«, fordern die Konzerne Steuergeschenke, Subventionen, Freibriefe für Umweltzerstörung oder Gesundheitsgefährdung. Dies alles gilt jedoch nicht für die gesamte Wirtschaft: Mit Recht haben sich unzählige Mittelständler während der Wirtschaftskrise darüber beschwert, dass
ihnen
der Staat keineswegs aus der Klemme helfe und ihnen nur der Weg zum Konkursrichter bliebe.
    Für die Großkonzerne allerdings gilt:
to big to fail
– zu groß, um sie pleitegehen zu lassen. Es ist wie mit einem drogensüchtigen Piloten: Verweigert man ihm den Stoff, stürzt das ganze Flugzeug ab. Und so verwundert es kaum, dass während der Krise ein »notleidendes« Unternehmen nach dem anderen die Hand aufhielt – schon machte das Wort vom »Fass ohne Boden« die Runde. Doch selbst in Zeiten des Aufschwungs kassieren die Konzerne, die ja angeblich ohne die Einmischung des ungeliebten Staates am besten zurechtkommen, ungeniert Steuergelder bis zum Abwinken ab.
    Allein bei der ebenso gepriesenen wie obskuren Förderrente, die ja angeblich die ökonomische Überlegenheit gegenüber staatlicher Vorsorge beweist, sponsert der Staat die Versicherermit jährlich zwei Milliarden Euro. Dabei stimmt jenes eherne Gesetz keineswegs. Selbst Christian Wulff warnt: »Der Satz ›Wenn es dem Betrieb gutgeht, geht es auch uns Beschäftigten gut‹ ist wegen einzelner Manager nicht mehr mehrheitsfähig.«
    Was Wunder, schließlich ist der vergangene Aufschwung komplett an der Bevölkerung vorbeigegangen: Die Beschäftigten und nahezu alle Normalbürger haben real weniger in der Tasche als davor.
    Umgekehrt aber rettet der erpresste Staat mit seinen exorbitanten Finanzspritzen nicht so sehr die Arbeitsplätze als vielmehr die Traumgagen der Superverdiener.
    Als zum Beispiel die Bundesregierung im November 2008 als Gegenleistung für das 500 Milliarden teure Bankenhilfspaket die Vorstandsgehälter der Betroffenen auf 500 000 Euro begrenzt, vergisst sie die astronomischen Bezüge der Investment-banker. Die Folge erläutert der Frankfurter Bankenprofessor Thomas Heidorn: »Kommt eine solche Bank nun unter den Schutzschirm des Rettungsfonds, müssen diese Gelder trotzdem weiterhin gezahlt werden, obwohl eigentlich keine großen Gewinne gemacht werden. Und letztlich bezahlt dann der Steuerzahler die übertriebenen Gehälter.« 317
    Dieser Staatsbonus für Großverdiener ist allerdings kein Einzelfall, sondern die Regel, und das ist auch ganz zwangsläufig so: Ebenso wie nämlich der Fleischer des Adam Smith natürlich seine Produkte nicht zum Selbstkostenpreis verkauft, da er ja von seiner Arbeit leben will, so lohnt auch für einen Konzern die Produktion und die Beschäftigung von Arbeitskräften nur, wenn er unterm Strich auch die Managergehälter und die Renditen der Investoren verdient. Deshalb dienen sogar Kombilöhne nur dem Anschein nach einer menschenwürdigen Bezahlung der Mitarbeiter: in Wahrheit finanziert der Steuerzahlerdamit auch die Traumgagen der Topmanager und das leistungslose Einkommen der Aktionäre. Ein klassisches Beispiel für das Abgreifen von »Steuermilliarden für den eigenen Luxus« (
Süddeutsche
) liefern einmal mehr die USA, deren Wirtschaftsbosse stets die großen Vorbilder unserer Spitzenmanager sind. Im November 2008 bettelten die Chefs der drei großen USAutobauer vor dem Senat um Geld. »Der kalifornische Kongressabgeordnete Brad Sherman bat die drei Topmanager Rick Wagoner (General Motors), Alan Mulally (Ford) und Robert Nardelli (Chrysler) um Handzeichen, wer denn zur Anreise auf einen Flug mit dem Privatjet verzichtet hätte. Keine Hand ging nach

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