Die Dilettanten
oben. Dann fragte er, ob einer von ihnen bereit wäre, den Privatjet zu verkaufen und per Linienflug nach Hause zurückzukehren. Wieder kein Handzeichen. Mehrere Abgeordnete schlugen danach noch in diese Kerbe. Genüsslich wurde das Bild von arroganten Managern gezeichnet, die Steuermilliarden abgreifen wollen, um weiter ihrem Luxus zu frönen.« 318
Auch in Deutschland ist der Verdacht aufgekommen, einige Konzerne und Banken würden die Krise noch künstlich zuspitzen, um noch mehr Geld aus der Staatskasse herauszuleiern. Ohnehin steht »die Wirtschaft« seit geraumer Zeit unter Generalverdacht, durch Einstellungen oder Entlassungen, Verstärkung oder Drosselung der Produktion sowie durch positive oder negative »Zukunftserwartungen« die Politik bis hin zu Wahlen beeinflussen zu wollen. Motto: »Wenn nicht Schwarz-Gelb kommt, dann vergeben wir keine Mittelstandskredite mehr.« Oder: »Wenn Lafontaine mitregiert, stellen wir keinen einzigen Azubi mehr ein.«
Auch deshalb ist mehr als fraglich, ob und inwieweit der Staat der Erpressung durch die Konzerne in bewährter Manier nachgeben
muss
. Immerhin ist die Abhängigkeit wechselseitig: Wieso verlagern denn Opel oder BASF ihre Produktion nichteinfach nach Indien? Wo sind sie denn geblieben, die Spielräume der Globalisierung? Natürlich wissen auch wirtschaftlich inkompetente Politiker wenigstens so viel, dass brachliegendes Kapital auf Dauer auch nicht im Sinne der Investoren ist und dass die Steuermilliarden nicht die Profite durch die – wie Marx sagt – »Ausbeutung der Ware Arbeitskraft« ersetzen können. Ganz grob gesprochen, ist also eine florierende Konjunktur für das Gemeinwesen und die Wirtschaft eine Win-win-Situation. Dies bedeutet aber, dass eine sozial orientierte Regierung bedeutend mehr für die Bevölkerung herausholen könnte – Stichwort
Sozialstaat
– als dies gegenwärtig geschieht.
Letzteres könnte sogar das bringen, was eigennützige Volksvertreter am meisten interessiert: Stimmengewinne! Umso unverständlicher und bezeichnender zugleich, dass man sich im Herbst 2008 zunächst um ein Konjunkturprogramm drückt, das ohnehin »in der Öffentlichkeit partout nicht Konjunkturprogramm heißen darf, weil es zu den wirtschaftspolitischen Grundüberzeugungen der Union gehört, dass solche Programme nicht wirken«. 319 Und weil Die Linke bereits seit Beginn der Krise zum Spott und Ärger der anderen Parteien ein solches Programm gefordert hat.
Insofern sind alle Vorschläge, von denen Wirtschaft und Bevölkerung gleichzeitig profitieren könnten, angesichts der realen politischen Verhältnisse – der Mehrheiten ebenso wie der Akteure – reine Theorie, also fromme Wünsche.
3. Aller Widerstand steht still – Die Gewerkschaften
In der verklärten Welt der alten sozialen Marktwirtschaft vereinbarten die Gewerkschaften mit den Unternehmern die Bezahlungzahlung und die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer (
Korporatismus
) – im Idealfall hatten Politik und Staat gar nichts damit zu tun (
Tarifautonomie
). Ohne oder gar gegen die Gewerkschaften lief nichts in der alten Bundesrepublik: »Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.« Dieses Damoklesschwert des Arbeitskampfes wirkte so nachhaltig, dass es hierzulande die wenigsten Arbeitskämpfe aller westlichen Industrienationen gab.
Dieses Gewicht der Gewerkschaften hat sich mit dem neoliberalen Siegeszug und der damit verbundenen Demontage des Sozialstaats gründlich geändert. So kommt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung jüngst zu dem Schluss, die Gewerkschaften seien »auf dem Weg zu einem normalen Interessenverband, der allerdings noch von seinen traditionellen Positionen im Korporatismus der Bundesrepublik zehrt. Doch selbst die mythische Beziehung zwischen Gewerkschaften und Sozialdemokratie unter dem Dach der Arbeiterbewegung verwandelt sich in normale, wenngleich besonders intensive Lobbykontakte.« 320
Trotz der rapiden Abnahme an Mitgliederzahlen und Einfluss sind die Gewerkschaften noch immer wichtigster Faktor zur Besänftigung der Arbeitnehmerschaft. In der rot-grünen Ära setzten sie in vorderster Front »maßvolle« Lohnabschlüsse und vor allem Hartz IV durch. Diese »Armut per Gesetz« könne man sowieso nicht verhindern, ist die DGB-Parole, und folglich beteiligt man sich offiziell an keiner einzigen Demonstration oder Aktion gegen die Agenda 2010. Zwischen die SPD-Genossen Gerhard Schröder und Michael Sommer passt kein Flugblatt, und selbst die
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