Die Dilettanten
hin, solange es selbst davon profitiert. Dass der Wohlstand der Reichen mehr und schneller wächst als der eigene, wird dabei akzeptiert, solange Rieseneinkommen wenigstens dem Anschein nach auf Leistung und nicht auf bloßem Kapitalbesitz beruhen: Soll der Bauunternehmer doch Schmiergeld für Aufträge zahlen, wenn er dadurch Arbeitsplätze schafft und Menschen zu »Lohn und Brot« verhilft. Insofern ist die CSU ein Opfer der neoliberalen Reformen und des Turbokapitalismus: Hektische Ausrichtung des Schulsystems auf Konzernbedürfnisse, Vorrang der neoliberalen Ziele »schlanker Staat« und »ausgeglichener Haushalt« vor Sozialsystemen und Infrastruktur, dann auch noch das Rauchverbot im Wirtshaus und schließlich die hemmungslose und desaströse Zockerei der Bayerischen Landesbank – all dies wurde vom Wähler ebenso bestraft wie die dazu passende Personalpolitik. Erwin Huber als Parteichef und Günther Beckstein haben nach Meinung des Politikberaters Michael Spreng »den Verfall beschleunigt und dynamisiert. Die Bayern sind ein stolzer Volksstamm. Sie wollen nicht durch Leute repräsentiert werden, die von einigen als Witzfiguren angesehen wurden … Man kann aus zwei Zwergen keinen Riesen machen.« 22
Als die CSU dann – wie auch die Die Linke – die Rückkehr zur alten Pendlerpauschale forderte, im Bundestag aber dagegen stimmte, nahm das Verhängnis seinen Lauf.
Der neue »Bayernkönig« Horst Seehofer profilierte sich gleich nach seiner Machtübernahme in Sachen Erbschaftssteuer und machte es erfolgreich, wie der Kölner Politikprofessor Christoph Butterwege formuliert, zur »Prestigefrage, Villenbesitzersgattinnen am Starnberger See und Kinder von Konzernherren ganz von der Erbschaftssteuer zu befreien«. 23 Dass man dies auch so begründete, sonst müsse etwa ein kleiner Handwerker den vom Vater geerbten Betrieb schließen und seine drei Angestellten entlassen, ist ein Meisterwerk an Demagogie. Selbst Arbeitgeberverbände können keinen einzigen derartigen Fall nennen.
Andererseits entspricht dies dem Bestreben, die Kastenunterschiede zwischen Arm und Reich möglichst zu verewigen. Die meisten der heutigen superreichen Familien sind schon seit allen Zeiten ganz oben – vom Kaiserreich über die Weimarer Republik und das Dritte Reich bis in die Nachkriegszeit und das vereinigte Deutschland.
Mal sehen, ob die anderen – die ebenfalls seit Generationen kleine Leute sind – dies weiterhin für Gottes Wille halten und CSU wählen oder im Zuge der Wirtschaftskrise den Ausruf eines Münchner Arbeiters von 1918 – »Na mach’ ma halt a Revolution, daß endlich wieda a Ruah’ is!« 24 – bei der kommenden Bundestagswahl parlamentarisch umsetzen.
3. SPD: Lieber klein, aber fein?
Auch für die SPD ist das Hauptproblem die Basis. Ihre Jahrzehnte als relativ einheitliche Partei der kleinen Leute und vor allem der Arbeitnehmer scheinen endgültig vorbei. Derzeit hatdie Gesamtbevölkerung prozentual dreimal so viel Arbeiter wie die SPD Anhänger. Ähnlich wie die CDU leidet sie nun darunter, dass sich Interessen ihrer zwei neuen großen Mitgliederund Wählergruppen unvereinbar widersprechen.
Da sind einmal die Agenda-Befürworter, die bereits die Mehrheit der Funktionäre und Mandatsträger stellen. Deren Zielgruppe sind die »Aufstiegsgewinner,« die durch »Bildung« (sprich: neoliberales Halbwissen), moralische Immunität und materielle Sicherheit für den skrupellosen Existenzkampf in einer immer ungleicheren Gesellschaft am besten gerüstet und motiviert sind. Entsprechend betreiben die Parteiführer seit Schröder Politik nicht mehr zur Durchsetzung von Überzeugungen, sondern von Marketingkonzepten und Werbekampagnen.
Einen solchen Betrieb halten anständige, sozial motivierte Funktionäre und aktive Mitglieder nur unnötig auf. Weshalb man sie auch schnell aufs Abstellgleis schob oder gleich ganz herausekelte. Dummerweise aber bilden die rüde Abservierten ein beträchtliches Wählerpotenzial. Schon Mitte Juli 2007 unterstützten 48 Prozent der SPD-Wähler und 30 Prozent der SPD-Anhänger die wichtigsten Forderungen der Partei Die Linke wie Mindestlohn für alle, Bundeswehrabzug aus Afghanistan sowie Rücknahme von Hartz IV und Rente mit 67, gerade mal 20 Prozent der Genossen lehnen sie ab. Soziale Gerechtigkeit ist für die meisten Mitglieder noch immer das Wichtigste. Sie wollen »nichts mehr hören von den Zwängen der Globalisierung, von kippenden Bevölkerungspyramiden, von Nullrunden in der
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