Die Dilettanten
Bemerkungen über »Gutmenschen« und »Sozialkitsch« leistet sich inzwischen niemand mehr; möchte man doch selbst vor den Bürgern als guter Mensch in der Politik gelten. Kurzum: Geißler schlägt Merz.
Ob dies aber beim Bürger verfängt, ist schon deshalb fraglich, weil zum einen auch die SPD inzwischen auf diese Masche gekommen ist, zum anderen aber gerade christlich motivierte Anhänger der CDU mit denen der Partei Die Linke moralisch mehr gemeinsam haben als beispielsweise mit dem Wirtschaftsflügel der Union.
Dies umso mehr, als die CDU das Wiederentflammen ihrer Liebe zum Sozialstaat denkbar unglaubwürdig verkauft. Parteichefin Merkel zum Beispiel redet auf dem Stuttgarter Parteitag Anfang Dezember 2008 ellenlang und ermüdend über die Soziale Marktwirtschaft, ohne den Begriff inhaltlich zu füllen. »Die Kanzlerin will, sagt sie, die soziale Marktwirtschaft nach Europa, ja in die ganze Welt exportieren, sie will diese zum Exportschlager machen, wie Druckmaschinen, Kaffeefilter und Plüschtiere aus Deutschland. Druckmaschinen und Plüschtiere sind greifbar, Merkels Soziale Marktwirtschaft ist es nicht«, lästert Heribert Prantl. »Sie will etwas exportieren, was sie selber nicht beschreiben kann. Ein solcher Export ist ein Leerverkauf. Merkels Problem ist überdies, dass sie die soziale Marktwirtschaft vor ein paar Jahren noch abschaffen wollte. Also hört man Merkels frohe Botschaft, aber es fehlt einem der Glaube daran, dass sie ernst gemeint ist und auch morgen noch gilt. Wenn die Kanzlerin von sozialer Marktwirtschaft redet, dann klingt das so, als ob der Papst von den Vorzügen des Protestantismus spräche.« 20
Und es ergänzt wohl das Bild der CDU, dass der Parteitag zwar keinerlei Beschlüsse zur Wirtschaftskrise, wohl aber die zur Festschreibung der deutschen Sprache im Grundgesetz fasste – und das auch noch gegen den Willen der Kanzlerin.
Dass echten Neoliberalen nicht einmal der Neoliberalismus heilig ist, sondern nur der eigene Nutzen, wird dann vom Vorteil zum Handicap, wenn der Wähler dahinterkommt. Er erkenntPolitik und Politiker als unberechenbar, und wenn man ihn oft genug auslacht, weil er auf Wahlversprechen hereingefallen ist, dann hält er am Ende jedes Programm und jede Aussage für eine Lüge.
Insofern geht es der Union nicht besser als der SPD und den anderen Parteien. Sie muss versuchen, sich dem Volk wenigstens als kleinstes Übel zu präsentieren. Deshalb war und ist auch für die »christlichen Parteiführer« die Verunglimpfung des politischen Gegners – etwa
Linke
als Stalinisten und die SPD als ihre Kumpanin – ebenso unverzichtbar wie als Zielgruppe das arglose, politisch ungebildete Stimmvieh.
Und für diese Klientel war wohl auch die Lobeshymne des Parteitags auf die SED-Blockflöten bestimmt. Ein Antrag mit dem Satz »Die Führung der Blockpartei CDU bestand aus Einflussagenten und Handlangern der SED« wurde verworfen und stattdessen einer verabschiedet, wonach die Mitglieder der Ost-CDU die Idee der christlichen Demokratie auch in Zeiten der Diktatur wachhielten. Sie hätten versucht, in den sich bietenden Freiräumen zu wirken und »konnten so einen Beitrag zur friedlichen Revolution leisten«. Gerade zu heldenhaft klingt das, wird damit aber nicht weniger unglaubwürdig.
Für dieses tumbe Wahlvolk ist auch die obligatorische Koalitionsaussage gegen die SPD und für die FDP völlig bedeutungslos. Auch nach der Wahl 2005 warf niemand der Union »Wahlbetrug« vor.
Fazit der
Süddeutschen Zeitung
: Die Wähler können sich aussuchen, welche Union sie denn gerne hätten: vielleicht die Peißenberger römisch-katholische CSU mit einem Schützenkönig als Generalsekretär oder die hanseatisch-urbane, angegrünte CDU mit dem Freiherrn von Beust oder die Kochsche Vierkant-CDU aus Hessen oder die sächsische Alles-passt-drunter-CDU?« 21
2. CSU: Staatspartei oder nur noch Volkspartei?
Als die CSU bei der Bayernwahl im September 2008 über 17 Prozentpunkte und damit die Zweidrittelmehrheit im Landtag verliert, ist das Geschrei groß; dabei hat sie der Wähler doch nur von der Staatspartei zur Volkspartei zurückgestuft. Diesen Status, der sonst nur noch der Partei Die Linke in einigen neuen Ländern zukommt, besitzt sie freilich im Westen exklusiv.
Die CSU ist ein Lehrbeispiel, wie die Soziale Marktwirtschaft im Idealfall funktioniert. Das Volk nimmt korruptive Beziehungen –
Klüngel
oder
Amigosysteme
zwischen Politik, Wirtschaft und sogar Kirche – durchaus
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