Die Dirne und der Bischof
ihrer Hand herab.
Elisabeth wartete, bis die Ritter im Gefolge des Bischofs die Burg verlassen hatten, dann brach auch sie auf. Sie hatte sich entschieden, zu Fuß zu gehen. Das war weniger auffällig, als auf dem Rücken eines ihrer edlen Pferde in die Stadt hinunterzureiten. Außerdem wollte sie keinen der Knechte oder Wachmänner mitnehmen. Es würde hinterher für ihn irgendwann sicher zu verlockend sein, vor seinen Kameraden etwas von ihrem Ausflug verlauten zu lassen, und das wollte sie auf keinen Fall riskieren. Und jemanden, dem sie völlig vertraute, gab es auf der Burg nicht. Nicht mehr, seit Barbe gestorben war.
Elisabeth hatte ein teures, aufwändig besticktes Gewand gewählt und kostbaren Schmuck angelegt. Die ganze Pracht verbarg sie nun unter einem dunklen, langen Mantel mit Kapuze, der viel zu warm für den schönen Frühsommertag war. Dennoch erfüllte er seinen Zweck und ermöglichte ihr, unerkannt bis in die Pleichacher Vorstadt zu gelangen. Die Brust wurde ihr ein wenig eng, als sie den wohlvertrauten Pfad betrat, der von den um St. Gertraud gescharten Gebäuden über eine Wiese zu dem windschiefen Haus führte, das sich vor der Mauer des alten Judenfriedhofs erhob. Das Dach hing bereits bedenklich durch. Wie vielen Wintern würde es wohl noch trotzen können?
Elisabeths Schritte wurden immer zögerlicher. Wollte sie das wirklich? Sie gab sich einen Ruck. Sie war es ihnen schuldig! Bis sie die Tür erreichte, hatte sie ihren Mut wiedergefunden, und so klopfte sie energisch an. Schritte näherten sich. Elisabeth schob die Kapuze zurück und öffnete den Mantel, um die ganze Pracht ihrer Gewänder zu präsentieren. Es war Marthe, die die Tür öffnete und nach ihrem Begehr fragte. Fast blieben ihr die Worte der Begrüßung im Hals stecken, als sie Elisabeth erkannte.
»Du? Was willst du hier? Uns mit dem Reichtum deiner Kleider blenden? Wie überaus freundlich! Eine Dirne, die sich wie eine Junkerin fühlen will. Eine vortreffliche Farce!«
Elisabeth ignorierte die gehässigen Worte. »Ich grüße dich, Marthe. Ich hoffe, du und die anderen befinden sich wohl.« Marthe brummte nur unwillig.
»Ich möchte bitte mit der Meisterin sprechen.« »Wenn es sein muss«, murmelte sie und verschwand im Haus. Elisabeth musste nicht lange warten, bis die Meisterin über die Schwelle trat. Else Eberlin musterte
sie von oben bis unten. »So, du hast es also herausgefunden und bist in Gnaden wieder aufgenommen worden«, stellte sie mit unbeweglicher Miene fest. »Ja, ich habe es herausgefunden - so wie du vorher! Deshalb hast du mich doch weggeschickt, nicht wahr?«
Else hob entschuldigend die Arme. »Dich zu behalten, war viel zu gefährlich. Was hätte ich denn anderes tun sollen? Dir sagen, du solltest einmal auf ›Unser Frauenberg‹ vorsprechen, ob der Bischof eine Tochter vermisst? Vielleicht hätte ich dich direkt in die Arme deines Mörders getrieben, der dann das zu Ende gebracht hätte, mit dem er das letzte Mal gescheitert war.«
»Danke für deine Besorgnis, doch bisher hat noch keiner auf der Burg versucht, sich an mir zu vergreifen«, sagte Elisabeth spitz.
»Dann hast du mehr Glück, als ich angenommen habe«, gab die Meisterin ungerührt zurück. Dann fragte sie: »Warum bist du gekommen? Willst du mir drohen oder mich irgendwie strafen? Vergiss nicht, wenn ich dich nicht aufgenommen hätte, wärst du vermutlich noch in derselben Nacht gestorben.«
Elisabeth betrachtete die Meisterin, wie sie mit gerecktem Kinn vor ihr stand. Sie konnte keinen Groll gegen sie empfinden.
»Ich möchte dir weder drohen noch dich strafen. Ich bin gekommen, um einen Vorschlag zu unterbreiten.«
»Dann lass uns in mein Haus gehen«, schlug Else Eberlin vor.
Elisabeth schüttelte den Kopf. »Das geht alle an, daher möchte ich, dass sie alle dabei sind. Die Wirtin sah sie misstrauisch an, nickte dann aber und hielt ihr die Tür auf. Mit widerstreitenden Gefühlen betrat Elisabeth das Frauenhaus. Es war der Geruch, der die Bilder durch ihren Geist fluten ließ. Energisch drängte sie sie beiseite und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die sechs Frauen, die am Tisch saßen, und sie erfreut, neugierig oder misstrauisch musterten. Jeanne sprang auf, lief auf Elisabeth zu und umarmte sie herzlich. Gret grinste breit und nickte ihr anerkennend zu.
»Dein Rauswurf scheint dir bekommen zu sein. Du siehst gut aus.«
»Gut?«, rief Jeanne. »Sie sieht unglaublich aus! Was für wundervolle Kleider. Und erst der
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