Die Dirne und der Bischof
Jeanne ihr zu. »Euch allen auch alles Gute.« Tränen standen ihr in den Augen. »Lebt wohl.«
Elisabeth schlang ihren Mantel wieder über ihr in der Vorstadt zu auffälliges Gewand und kehrte mit Jeanne und Gret zur Festung »Unser Frauenberg« zurück.
Wie es sich Gret gewünscht hatte, besorgte ihr Elisabeth eine Arbeit in der großen Burgküche. Der Küchenmeister war ein einschüchternder Mann, aber Elisabeth war zuversichtlich, dass sich Gret gegen ihn würde behaupten können. Auf dem Rückweg zur Festung hatten sie sich einfache Lebensgeschichten für die beiden Frauen ausgedacht, falls sie jemand fragen sollte. Bei der Frage, wo sie geboren waren und ihre Familien lebten, konnten sie durchaus bei der Wahrheit bleiben. Allerdings mussten sie einige Jahre mit ehrlicher Arbeit erfinden. Ihre Zeit im Frauenhaus jedenfalls durften sie auf keinen Fall erwähnen.
»Und wenn uns jemand erkennt?«, fragte Jeanne.
»Dann bleibt bei eurer Geschichte«, riet Elisabeth. »Ich gebe euch ein gutes Leumundszeugnis. Ich denke, niemand auf der Burg wird es wagen, dem zu widersprechen.« Zumindest nicht, solange mein Vater der Herr des Landes ist, fügte sie im Stillen hinzu.
»Ich glaube nicht, dass uns jemand erkennt«, meinte Gret und zupfte ein paar Fäden von ihrem Rocksaum, wo sie das gelbe Band abgetrennt hatte, das sie als Dirne auswies. »Soviel ich weiß, waren unter unseren Gästen keine, die zu den Burgleuten gehörten.«
»Ja, und die Stadt solltet ihr vielleicht für eine Weile meiden«, schlug Elisabeth vor.
Gret grinste sie an. »Ich vermute, dass wir sowieso nicht allzu viel freie Zeit für uns haben werden, um über die Domstraße zu flanieren.«
Elisabeth sah sie entschuldigend an. »Nein, das vermute ich auch nicht. Die Arbeit der Mägde und Knechte ist hart und dauert von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Ich hoffe nur, ihr werdet eure Entscheidung nicht bereuen.«
Gret legte den Arm um ihre Schulter. »Da mach dir mal keine unnötigen Gedanken. Du hast uns ein Angebot gemacht, und wir haben uns entschieden, es anzunehmen. Es ist unser Leben, und es war in diesem Fall unsere freie Entscheidung. Jetzt liegt es in unserer eigenen Verantwortung.«
»Dennoch könnt ihr mir jederzeit alles sagen«, beharrte Elisabeth. »Wenn es Schwierigkeiten gibt oder die Arbeit zu hart ist. Ich werde dann sehen, was ich tun kann.«
»Manches Mal fürchte ich, du wirst es nicht sehr weit bringen und in deinem Leben noch viel leiden müssen«, sagte Gret ernst. »Du bist zu gut!«
»Nein, sie ist genau richtig!«, widersprach Jeanne. »Lisa ist ein Engel, den Gott auf die Erde geschickt hat und den er bei seiner Rückkehr reichlich belohnen wird.«
»Ich habe nichts anderes behauptet. Auf der Erde erwartet solche Menschen nur selten gerechter Lohn.«
Wie Elisabeth es angenommen hatte, wusste sich Gret vor dem Küchenmeister wohl zu behaupten. In den ersten Tagen schnitt sie Gemüse für die Suppe, knetete unzählige Brotlaibe und schrubbte Töpfe bis spät in die Nacht. Dennoch machte sie einen zufriedenen Eindruck, wenn Elisabeth sie ab und zu auf dem Hof traf. Sie erzählte über die Mägde und anderen Helfer in der Küche, mit denen sie ab und zu einen deftigen Streit vom Zaun brach, sich aber sonst prächtig verstand. Gret war ehrgeizig und wollte so schnell wie möglich in der komplizierten Hierarchie der Burgküche aufsteigen.
»Ich sage dir, noch ehe es Weihnachten geworden ist, lege ich Hand an meine erste Süßspeise«, sagte sie zu Elisabeth.
»Das musst du mir unbedingt sagen. Dann werde ich sie für mich ganz alleine beanspruchen!« Sie lächelte Gret an, die so gesund und sprühend vor Leben wirkte.
»Nur, wenn sie mir gelungen ist«, gab Gret zurück und erwiderte das Lächeln.
Jeanne ersetzte das junge Mädchen, das Elisabeth in den ersten Tagen in ihren Gemächern behilflich gewesen war. Mit Eifer machte sie sich daran, die Räume zu säubern, immer ein Feuer am Brennen zu halten und Elisabeth mit Leckereien aus der Küche zu versorgen. Außerdem machte sie es sich zur Aufgabe, die Kleidertruhen in Ordnung zu halten. Keine andere Magd auf der Burg sollte mehr Hand an Elisabeths Sachen legen! Da Jeanne allerdings keine Erfahrung mit den teuren Stoffen hatte, ruinierte sie ein Gewand aus blauem Samt mit weißer Spitze beim Waschen. Jeanne weinte und war untröstlich, doch Elisabeth rügte sie nicht.
»Es war mein eigener Fehler. Woher hättest du es wissen sollen? Wie gedankenlos von mir, das
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