Die Dirne und der Bischof
und dem Schicksal. - Du hast die Wahl! Lass es dir von einer alten Frau sagen, die schon mehr Jahre hier verbracht hat, als du auf dieser Welt weilst: Der Schmerz vergeht, und du wirst dich daran gewöhnen, wenn du es zulässt.«
Sie tätschelte kurz Elisabeths Hand, erhob sich schwerfällig und ging zur Tür. Die letzte Lampe erlosch. Der Schlüssel knarzte im Schloss, das Frauenhaus versank in Dunkelheit. Wider Willen hallten die Worte der Meisterin in Elisabeths Geist wider:
Stirb oder lebe, zerbrich oder gewöhne dich daran - du hast die Wahl!
Kapitel 5
Die Meisterin sollte zumindest zum Teil recht behalten. Als der Frühling sich dem Ende zuneigte, hatte sich Elisabeth an ihr Leben im Frauenhaus gewöhnt. Sie konnte ihren Dienst an den Gästen zwar nicht mit demselben Gleichmut ausüben wie die anderen Frauen oder gar an den Männern und ihrer Behandlung Freude empfinden, doch sie ekelte sich auch nicht mehr so sehr vor deren Berührungen, und der Geruch ihrer klebrigen Körpersäfte brachte sie nicht mehr zum Würgen. Sie konnte sich küssen und über den Busen streicheln lassen und eine freundliche Miene bewahren. Ja, sogar zu lächeln verstand sie inzwischen, auch wenn es kein Lächeln war, das ihr eigenes Herz und ihre Seele erwärmte. Sie tat, was die Meisterin ihr befahl, und es bereitete ihr nur noch selten Schmerzen, wenn die Männer in sie stießen. Zum Glück musste Elisabeth zumeist nur einem Gast am Abend dienen. Es gab Nächte, in denen manche der anderen Frauen drei- oder gar viermal die Gier eines Mannes über sich ergehen lassen mussten. Dann waren sie oft wund und klagten am anderen Tag über Schmerzen, wenn sie sich zum Frühmahl auf die Bank setzten. Else verteilte Salbe und hörte sich eine Weile die Klagen an, dann rief sie ihre Schützlinge barsch zur Ordnung.
»Das ist euer Platz, an dem ihr eure Aufgabe erledigen müsst. Glaubt ihr, die Arbeit der Handwerker oder Häcker wäre ein Zuckerschlecken? Die der Waschfrauen und Mägde? Glaubt ihr, sie leiden keine Schmerzen? Viele bekommen einen krummen Rücken und werden nicht einmal satt! Ihr habt genug zu essen, ein Dach über dem Kopf und müsst nicht frieren, also hört auf zu jammern!«
Bereits am zweiten Abend hatte die Wirtin Elisabeth zu sich gerufen und ihr ein Schwämmchen und ein verkorktes Tonfläschchen gereicht.
Elisabeth entfernte den Korken. Es roch scharf nach Essig und Kräutern. Der Geruch kam ihr irgendwie bekannt vor. »Was ist das?«
»Das wird hoffentlich dafür sorgen, dass du kein Kind bekommst.«
»Was?« Daran hatte sie noch gar nicht gedacht, doch jetzt drängte sich ihr die Erkenntnis geradezu auf. Das war die Sünde, gegen die die Pfarrer von der Kanzel wetterten -und die bei Fruchtbarkeit dazu führte, dass die Menschen sich mehrten! Warum sollte es bei den Menschen anders sein als bei den Tieren? Nur weil sie die Krönung der Schöpfung Gottes waren?
»Du träufelst jeden Abend etwas davon auf den Schwamm und steckst ihn in deine Scham, so tief es geht.« Tränen traten Elisabeth in die Augen.
»Das ist nichts zum Heulen! Sei froh, wenn sich erst gar kein Kind in dir regt, denn sonst wird alles viel schwerer und auch gefährlich für dein Leben. Ich bin für dich und die anderen Mädchen verantwortlich und muss dafür sorgen, dass euch nichts geschieht. Willst du etwa von einem dieser Männer geschwängert werden?«
Elisabeth wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht und schniefte. »Nein«, sagte sie leise.
»Also, dann halte dich an meine Anweisungen, und vergiss es nicht. Bevor du zu Bett gehst, kannst du das Schwämmchen entfernen und auswaschen. Verstanden?«
Elisabeth nickte, auch wenn ihr allein bei dem Gedanken übel würde. Jetzt wusste sie auch wieder, woher ihr der Geruch bekannt war. Es war das Erste, was sie gerochen hatte, als sie im Frauenhaus erwacht war. Die alten Laken hatten den Geruch aufgenommen. Und auch beim Waschen der Decken und Tücher war er ihr in die Nase gestiegen - vermischt mit den anderen Gerüchen, die die fremden Männer mit sich brachten.
Rasch verschloss sie das Fläschchen wieder. Mit angewiderter Miene drehte Elisabeth das Schwämmchen in den Händen und räumte es dann in die kleine Kiste, die die Meisterin ihr für ihre Habseligkeiten gegeben hatte.
Else tätschelte ihr die Wange. »Kopf hoch, mein Kind, es ist alles nicht so düster, wie es dir im Augenblick erscheint. Und nun lächle einmal, und lass dir von Jeanne deine Wangen ein wenig
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