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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Ring um die Stadt zu schließen. Sie sandten Boten zu den Toren, die verkündeten: Niemand, der außerhalb der Mauern ergriffen würde, dürfte mit ihrer Gnade rechnen. Die Würzburger Bürger waren eingeschlossen!
    Else Eberlin und ihre Frauen strömten mit den anderen Würzburgern auf den Domplatz, um vielleicht irgendwelche Neuigkeiten zu erfahren. Für sie hatte die Belagerung noch keine Veränderung ihres gewohnten Lebens herbeigeführt. Am vergangenen Abend waren die Kunden wie eh und je ins Frauenhaus gekommen, um zu trinken, zu reden, Karten und Würfel zu spielen und sich ein paar lustvolle Stunden mit den Frauen zu gönnen. Und doch waren die Gespräche ernsthafter geworden, die Mienen sorgenvoller, und so mancher brach unvermittelt auf, so, als mahne ihn plötzlich sein Gewissen, in solch schweren Zeiten kein Geld für Wein und Dirnen zu verschwenden.
    Auf dem Domplatz war es so voll wie sonst nur an Jahrmärkten und hohen Feiertagen. Vor allem die Häcker, die nicht zu ihren Weinbergen hinaus konnten, standen in großen Gruppen zusammen. Für sie bahnte sich eine Katastrophe an, wenn die Belagerung länger dauern, und vor allem, wenn die Belagerer -absichtlich oder auch nicht - die fast reife Ernte zerstören würden. Für die Eigentümer der Weinberge und Felder wäre es sicher ebenfalls ein schmerzlicher Verlust, der den Inhalt der Geldtruhe schmälern würde, die Häcker und ihre Familien jedoch würden hungern müssen. Fünfzehn Pfennige verdiente ein Häcker am Tag, wenn er vom ersten Grau des Morgens bis zum Abend emsig Weinstöcke beschnitt, jätete und die Erde lockerte oder dann die reifen Trauben erntete. Was aber, wenn es keine Trauben mehr zu schneiden gab, keine Stöcke mehr zu hegen und zu pflegen? Natürlich würde man die Weinberge neu bestellen können - im Frühling. Doch zwischen dem Herbst und dem Frühling würde ein langer, harter Winter voll Not und Hunger liegen.
    Als sich Else und ihre Frauen dem Platz vor dem Grafeneckart näherten, entdeckte Elisabeth Otilia in der Nähe der anderen Ratsfamilien. Sie stand alleine da. Die grimmig dreinschauende Magd war nicht zu sehen. Wie zufällig ließ sich Elisabeth von den andern Frauen weg- und auf die Ratsherrentochter zutreiben, bis sie einen Schritt von ihr entfernt ein wenig neben ihr stehen blieb.
    »Ich grüße Euch, Otilia - nein, dreht Euch nicht zu mir, und seht mich auch nicht an. Es muss keiner bemerken, dass wir miteinander sprechen.«
    »Was gibt es?«, fragte Otilia. »Weißt du etwas Neues über meinen Vater und die anderen Abgeordneten?«
    »Nein, leider nicht. Ich habe gehofft, Ihr könntet uns etwas berichten. Sind sie noch im Kerker auf der Festung?«
    Otilia hob leicht die Schultern. »Ich weiß es nicht. Was sollen wir tun, wenn Vater nicht zurückkommt? Vielleicht wird der Bischof sie alle töten, wenn die Stadt seinen Forderungen nicht schnell genug nachkommt.« Verzweiflung schwang in ihrer Stimme. Elisabeth warf ihr einen Blick aus den Augenwinkeln zu. Die Augen des jungen Mädchens glänzten verdächtig feucht. Elisabeth unterdrückte den Impuls, sie tröstend in die Arme zu nehmen.
    »Nein, das glaube ich nicht. Wenn er die Männer tötet, nimmt er sich sein Druckmittel und auch die Hoffnung, jemals wieder mit dem Kapitel und dem Rat in Frieden zusammenleben zu können.«
    »Ja, wenn er alle tötet. Aber vielleicht einen oder zwei, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen? Um zu beweisen, wie ernst er es meint?« Es gelang ihr nur unzureichend, ihr Schluchzen zu unterdrücken.
    Elisabeth schwieg. Diese Möglichkeit bestand durchaus, und vermutlich war es für den Bischof leichter, einen Bürgerlichen zu opfern als einen Kirchenmann. Seine Verbündeten würden darüber leichter hinwegsehen.
    »So etwas wird er nicht tun«, sagte Elisabeth gegen ihre Überzeugung. »Er ist zwar ein Verschwender, der nicht das Leben führt, das man von einem Bischof und Landesherrn erwarten würde, dennoch ist er kein grausamer Raubritter, der ohne zu zögern mordet, wenn er sich einen Vorteil davon verspricht.«
    »Bist du dir sicher? Ich konnte noch keine Unterschiede feststellen. Er ist nicht nur feige und fürchtet sich, gegen dieses Heer zu uns zu stehen. Er hat uns alle verraten und dieses Heer erst hierher geführt! Er hat sie gerufen, um uns in die Knie zu zwingen. Er hat sie hergeführt, damit sie ihm zu seinem Recht verhelfen - was immer er damit auch meinen kann.«
    Elisabeth dachte an ihr letztes Gespräch mit

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