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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Günther von Schwarzenburg litt noch immer unter dem Schock, beinahe eingeklemmt in einem Loch zwischen Himmel und Hölle schwebend sein Leben beendet zu haben. Grau war er im Gesicht, und er redete wirres Zeug, als ihm zwei Diener aus der Sänfte halfen und ihn die wenigen Stufen zum Kapitelsaal führten. Seine Gewänder waren schmutzig und zerrissen, seine Wangen von grauen Bartstoppeln bedeckt, das Haar verdreckt und ungekämmt. Die anderen Herren sahen nicht besser aus. Ja, Elisabeth fand, dass sie so schmutzig und mit eingefallenen Wangen und Ringen unter den Augen kaum von den Häckern und armen Tagelöhnern der Stadt zu unterscheiden waren - abgesehen davon, dass man hier und dort noch die bunten Farben und edlen Stoffe erahnen konnte, die ihre Gewänder einst ausgemacht hatten.
    Elisabeth stand neben Gret und betrachtete die Szenen der Wiedersehensfreude. Ihre Augen suchten Otilia. Da war sie mit ihren Geschwistern und der alten Margret. Ihr Gesichtsausdruck war starr und ohne jede Freude. Elisabeth blickte verwundert zu den schmutzigen Gestalten zurück, die noch ein wenig Zeit und ganz gewiss ein Bad und einen Barbier benötigen würden, um sich wieder in die Respekt einflößenden Domherren und Ratsleute zu verwandeln. Sie ließ ihren Blick ein paar Mal über die Menge gleiten, konnte ihn aber nicht entdecken. Ratsherr Hans Maintaler, den alle den Tuchscherer nannten, war nicht unter den Rückkehrern.
    »Heilige Jungfrau! Der Bischof wird ihn doch nicht getötet haben!«, stieß Elisabeth aus.
    »Wen?«, wollte Gret wissen.
    »Den Ratsherrn Maintaler. Er ist nicht unter ihnen.«
    »Otilias Vater?« Elisabeth nickte.
    »Das kann nicht sein«, widersprach Gret und stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können.
    »Aber ja, sieh dir Otilias Gesicht an. Sie kann die Tränen nicht mehr zurückhalten.«
    In diesem Moment entdeckte Elisabeth Meister Thürner in der Menge. Es war ein seltsames Bild. Nicht nur, dass der Henker so groß war, dass er die meisten Menschen der Stadt überragte und sein rotes Wams in der Sonne strahlte. Er war wie ein Fels im Fluss, um den das Wasser zu beiden Seiten weichen muss. Doch während sich das Flusswasser nicht darum schert, an einem Fels vorbeizustreichen, wichen die Bürger von Würzburg alle so weit zu einer Seite aus, dass ja nicht die Gefahr bestand, den Henker aus Versehen zu berühren. So sehr sein Wort bei den Viertelmeistern oder auch im Rat respektiert wurde, der Henker gehörte zu den unehrlichen Personen einer Stadt und musste gemieden werden, wollte man nicht riskieren, ebenfalls seine Ehre zu verlieren.
    Mit solchen Bedenken brauchten sich die Eselswirtin und ihre Frauen allerdings nicht zu plagen. Sie gehörten ebenfalls zu den Ausgestoßenen mit nur wenigen Rechten, die stets am Rande der Gesellschaft bleiben mussten.
    Elisabeth zupfte den Henker am Ärmel. »Meister Thürner, wisst Ihr, was mit dem Ratsherrn Maintaler geschehen ist? Ich kann ihn unter den Freigelassenen aus der Festung nicht entdecken.«
    »Das ist verständlich, denn er sitzt immer noch im Kerker unseres geliebten Bischofs«, gab der Henker grimmig zurück.
    »Was? Warum denn?«
    »Ich nehme einmal an, der Bischof wollte nicht alle seine Druckmittel aus der Hand geben, solange nur eine erste Rate unserer - ich nenne es Brandschatzung, denn nichts anderes ist es - geleistet wurde.«
    »Oh je, dann kann eine Weile vergehen, ehe er aus dem Kerker entlassen wird. Es dauert, bis so viele Gulden zusammengetragen sind.«
    Der Henker nickte. »Ja, aber wenn es so weit ist, dann kann sich der Herr Bischof zu Recht ins Fäustchen lachen. Dann sind die Schulden getilgt, die er bei den großen Herren gemacht hat, die vor der Stadt lagern, und er kann sich ihrer Freundschaft wieder sicher sein - und neue Schulden machen.«
    In den folgenden Tagen wurden nicht nur die neuntausend Gulden vollständig bezahlt, sobald der Gegenwert der verpfändeten Kirchenschätze eintraf. Der Bürgermeister übergab schweren Herzens die Tor- und Turmschlüssel an den Schultheiß, der sie den Sekretären des Bischofs aushändigte. Chorherr Arnold Herwig von Neumünster und Johann Claus zu Haug fanden sich einer schweigenden Menge von Bürgern gegenüber, die mit feindseligen Mienen ihren Weg säumten, als sie auf die Brücke zuritten, um die Schlüssel dem Bischof zu bringen. Endlich zogen die Truppen der Grafen und anderen Herren ab. Die Tore konnten bei Tag wieder geöffnet werden und die Bauern und Häcker,

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