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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Otilias Vater. Ratsherr Maintaler hatte die Gefahr gesehen, und sein ungu tes Gefühl gab ihm jetzt recht. Der Bischof nahm es nicht tatenlos hin, dass seine Stadt dem Domkapitel huldigte und ein eigenes Bündnis mit den Landstädten gegen seinen Bischof schloss.
    Eine ältere Frau, deren graue Haarsträhnen unter einer reich geschmückten Haube hervorlugten, trat auf Otilia zu. Unauffällig zog sich Elisabeth zurück und gesellte sich wieder zu den anderen aus dem Frauenhaus.
    Vier Tage ließen der Bischof und die Belagerer die eingeschlossene Stadt schmoren. Der Henker kam nun zweimal am Tag vorbei, doch viel zu berichten gab es nicht.
    »Das Kapitel hat versucht, mit den Führern der Heere Verhandlungen aufzunehmen, doch noch scheinen sie nicht dazu bereit. Sie ziehen den Ring enger und zeigen sich immer häufiger in voller Rüstung unseren Wachen, kommen allerdings nicht so nahe heran, dass unsere Armbrustschützen ihnen etwas anhaben könnten.«
    »Was haben sie nur vor?«, fragte Anna und machte ein ängstliches Gesicht. »Wollen sie uns aushungern?«
    Marthe lachte abfällig. »Da bist du ja die Letzte, die sich Sorgen machen muss. Du kannst noch lange von deinen Speckschichten zehren, wenn wir bereits verhungert sind.«
    »Ich mache mir schließlich nicht nur Sorgen um mich«, verteidigte sich Anna. »Mara und Elisabeth sind so schrecklich dünn! Und selbst ich habe bereits nach einem Tag, an dem ich nichts zu essen bekomme, schrecklichen Hunger und Leibschmerzen«, fügte sie hinzu.
    Der Henker schmunzelte. »Nein, darauf lassen sie sich wohl nicht ein. Andererseits, schweres Gerät für einen erfolgreichen Angriff gegen unsere Mauern haben sie bisher auch noch nicht herangebracht. - Sagen unsere Kundschafter.«
    »Dann rasseln sie im Moment nur ein wenig mit den Schwertern, um uns einzuschüchtern und uns - in ihrem Sinne - verhandlungsbereit zu machen?« Elisabeth sah den Henker fragend an. Dieser nickte.
    »Ja, so würde ich das auch beurteilen. Diesen ersten Kampf besteht nicht der mit den besseren Waffen, sondern der mit Mut, Zuversicht und einem klaren Kopf.«
    Endlich, am nächsten Tag, schickten die Belagerer eine Botschaft, dass die Herren von Wertheim und von Weinsberg zu einer Unterredung bereit wären. Durch die Erfahrung mit ihrem Bischof gewarnt, lehnten sowohl das Kapitel als auch der Rat ab, dass die Unterredung im Heerlager der Grafen stattfinden sollte. Wieder wurden Boten hin-und hergeschickt. Der Erzbischof Konrad von Mainz war anscheinend als neutraler Beobachter zu den Belagerern gestoßen und bot an, in seinem Lager die Verhandlungen zu führen. Er versprach freies Geleit, egal wie die Gespräche enden sollten.
    »Und darauf vertrauen sie?«, wollte Gret wissen. »Nach dem, was unser eigener Bischof getan hat?«
    Der Henker hob die Schultern. »Sie sind bisher keinen Schritt weitergekommen. Das Heer hat eine durchaus ernst zu nehmende Größe, und dann sind da noch die Geiseln in der Hand unseres Bischofs. Sie müssen verhandeln, wenn sie den Streit nicht mit Waffengewalt aus der Welt schaffen wollen, und dass das für die Stadt nicht ratsam wäre, darin sind sich Kapitel und Rat anscheinend einig - und ich stimme dem übrigens auch zu. Einige der Domherren haben Erfahrungen mit dem Erzbischof und sagen, er sei nicht mit unserem Bischof Johann zu vergleichen! Sie meinen, seinem Wort vertrauen zu können.«
    »Dann ist es also bald vorbei«, sagte Mara hoffnungsvoll.
    »Darauf würde ich mich nicht verlassen«, brummte der Henker. »Wir wollen ja nicht annehmen, dass es ein zweites Konzil von Konstanz wird, das sich wie viele Jahre hingezogen hat? Ich weiß es nicht mehr. Dennoch können solche Verhandlungen auch den Geduldigsten hart auf die Probe stellen.«
    »Und so lange sind wir in der Stadt gefangen. Die Häcker können nicht in ihre Weinberge und die Bauern nicht auf die Felder, um die Ernte einzubringen«, sagte Elisabeth.
    »Ja, genau so ist es. Die Herren der Stadt werden bald den Druck von allen Seiten zu spüren bekommen, bis sie zu einer Einigung kommen.«
    Zwei Tage lang berieten sich beide Seiten. Dann kehrten die Herren des Rats und des Kapitels mit einem gesiegelten Vertrag in die Stadt zurück. Es war Otilia, die die Neuigkeit zum Frauenhaus brachte, noch ehe der Henker an diesem Abend seine Runde drehte. Es war am frühen Abend, noch bevor die warme Abendsonne hinter den Türmen und Dächern von St. Gertraud unterging, als die Tochter des Ratsherrn mit leicht

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