Die Dirne und der Bischof
gerafften Röcken über den schmalen Pfad auf das Frauenhaus zuschritt. Elisabeth, die mit den anderen auf der Bank vor dem Haus die letzten Sonnenstrahlen genoss, erhob sich und kam ihr entgegen.
»Ich dachte, du hast ein Recht darauf, es gleich zu erfahren«, begrüßte das junge Mädchen die Dirne der Eselswirtin.
»Das ist sehr nett von Euch, wenn auch nicht gerade klug zu nennen«, erwiderte Elisabeth mit einer leichten Verbeugung.
Otilia lächelte. »Ja, da hast du vermutlich recht, aber ich habe eine gute Ausrede. Die jüngere Schwester meines Vaters ist Gastmeisterin bei den Dominikanerinnen in St. Marx. Ihr muss ich doch die frohe Botschaft bringen, dass der Bischof zu gestimmt hat, das Heer abzuziehen und seine Gefangenen freizulassen!«
»Ja, unbedingt«, stimmte ihr Elisabeth mit betont ernster Miene zu, doch sie erwiderte Otilias fröhliches Zwinkern.
»Ich freue mich sehr für Euch, dass Euer Vater bald schon nach Hause zurückkehren wird. Wisst Ihr, welche Bedingungen Bischof Johann und die Führer des Belagerungsheeres genannt haben? Sie haben doch sicher Forderungen gestellt.«
Otilias Miene verdüsterte sich. »Oh ja, das haben sie. Und es fällt mir schwer, sie zu wiederholen, so unglaublich sind sie! Bischof Johann verlangt natürlich, dass der Rat dem Gelübde entsagt, das er dem Kapitel geleistet hat, und seine Huldigung ihm gegenüber erneuert. Das Kapitel muss ihm ebenfalls wieder Gehorsam schwören. Außerdem verlangt der Bischof alle Schlüssel der Stadt zu Toren und Türmen.«
Elisabeth nickte langsam. »Euer Vater hat es vorausgesehen, dass Bischof Johann den Verlust der Schlüsselgewalt an das Kapitel nicht dulden würde. Diese Forderung überrascht mich daher nicht und vermutlich auch keinen aus Rat oder Kapitel.«
»Ja, aber das ist noch nicht alles!«, rief Otilia aufgebracht. »Das Heer wird erst abziehen, wenn Rat und Kapitel ihnen fünfzigtausend Gulden verschreiben, von denen sie neuntausend sofort in Goldstücken zu liefern haben! Fünfzigtausend Gulden! So viel Geld kann man sich nicht einmal vorstellen! Die Abordnung hat der Forderung zugestimmt, aber woher soll das Geld kommen? Der Dompropst hat gesagt, dass nicht einmal die neuntausend in Würzburg zur Verfügung stünden, und dass man wohl zusehen müsste, einigen Kirchenschmuck in Nürnberg oder anderswo zu verpfänden. Und ich gehe jede Wette ein, dass sich Bischof Johann einen Teil des Geldes für seine Zwecke aushändigen lässt. Schließlich will er auch in Zukunft nicht auf seine Bankette, Turniere und Jagden verzichten müssen. Oder gar darauf, seinen Verwandten und Mätressen neue Anwesen zum Geschenk zu machen.«
Elisabeth sah das Mädchen erstaunt an. »Woher habt Ihr denn so etwas?«
Otilia machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du denkst vermutlich, dass wir Töchter aus Bürgerfamilien einfältig und naiv sind und nichts von dieser Welt wissen. Natürlich gibt es viele Dinge, über die unsere Mütter nicht mit uns sprechen, aber das heißt noch lange nicht, dass wir nichts darüber erfahren.«
Elisabeth schmunzelte. »Ihr habt es Euch also zur Gewohnheit gemacht zu lauschen.«
Otilia zuckte mit den Schultern. »Ja, sicher, nur so erfährt man die ganze Wahrheit und nicht nur die zurechtgestutzten Brocken, von denen die Eltern meinen, sie seien für ihre Tochter angemessen.« Sie zog eine Grimasse.
»Jetzt muss ich aber wirklich gehen und meine Tante aufsuchen. Ich hoffe sehr, dass der Vater noch heute nach Hause kommt. Er ist zwar auch streng, wenn es um die Ehre seiner Töchter geht, aber das Regiment, das die alte Margret über uns führt, halte ich keinen Tag länger aus! Jede Minute läuft sie uns hinterher, um uns zu sagen, was sich nicht für eine Ratsherrentochter schickt!«, vertraute sie Elisabeth an und seufzte theatralisch. Wie es ihr dennoch gelungen war, sich alleine in die Vorstadt aufzumachen, verriet sie nicht. Otilia winkte Elisabeth noch einmal zum Abschied zu und eilte dann zum Kloster St. Marx hinüber.
An diesem Abend warteten Otilia und ihre Geschwister vergeblich auf die Rückkehr des Vaters. Der Bischof entließ seine Gefangenen erst am nächsten Morgen, nachdem ein Vertreter des Rats zusammen mit dem Domdechant die erste Rate der Goldgulden übergeben hatte. Vor dem Dom wurden die Heimkehrer in allen Ehren vom Kapitel und Rat, ihren Familien und allerhand Neugierigen willkommen geheißen. Man sah ihnen ihre Hafttage im feuchten Verlies der hohen Warte deutlich an! Der dicke
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