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Die Doppelgängerin

Die Doppelgängerin

Titel: Die Doppelgängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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für
Selbständigkeit. Aber ein männlicher Beschützer ist schon was wert. Und Tarzan
hilft wirklich jedem — am liebsten natürlich seinen Freunden.“
    Tarzan verdrehte die Augen. „Ich für
meinen Teil mache mich jetzt auf die Socken. Während ich Inge begleite, könnt
ihr ja mein Denkmal bauen. Vielleicht dort vorn an der Ecke — und möglichst
groß.“
    „Und mit der Aufschrift“, grinste Karl:
„Dem männlichen Beschützer!“
    Gaby wurde rot. Sie funkelte Karl an. „Ein
bißchen davon täte auch dir ganz gut. Es genügt nicht, alles zu wissen.“
    „Alles weiß ich ja gar nicht“, Karl
grinste. „Zum Beispiel weiß ich jetzt nicht, was du meinst.“
    Tarzan hatte Inges Rad zu den anderen
Tretmühlen gestellt. Er nahm ihre Reisetasche und sie zogen los.
    Es war immer noch hell. Zwischen den
Häusern staute sich die Hitze des Tages.
    Tarzan fragte, ob Inge an ihren
Personalausweis gedacht hätte.
    „Ja, den habe ich mit.“
    Sie traten durch den Eingang. Ein
muffig riechendes Treppenhaus empfing sie.
    „Was hast du denn eingepackt?“ fragte
Tarzan, um das aufgeregte Mädchen abzulenken. Er schwenkte ihre Tasche.
    „Ach, nur Nachthemd und Kulturbeutel.
Und die Bücher, die ich morgen im Unterricht brauche: Deutsch, Geschichte und
Chemie.“
    „Also: ich bin dein Cousin!“
    „Wie? Ach so! Ja, natürlich. Soll ich
Peter zu dir sagen?“
    „Ist vielleicht besser als Tarzan“,
nickte er.
    Sie waren die Treppe hinaufgestiegen.
    An einer breiten Korridortür — altmodisch
mit eingesetzten Scheiben und Tüllgardine dahinter — war ein ähnliches Schild
angeschraubt wie unten am Eingang: Pension Waberina.
    „Am besten, du läßt mich reden“, sagte
Tarzan. Dann drückte er auf die Klingel.

7. Schatzsuche im Badezimmer
     
    Sechzig Jahre waren ihr zuzutrauen. Das
entsprach sicherlich der Wirklichkeit. Aber damit fand sie sich keineswegs ab.
Deshalb hing ein lachsrotes T-Shirt auf ihren fleischigen Schultern. Vorn trug
es den schwarzblauen Aufdruck eines Popidols. Die weißen Jeans saßen knalleng.
Rotlackierte Zehen schauten aus goldenen Sandalen hervor. Frau Waberina.
    Ihr Gesicht spiegelte alle Farben des
Regenbogens. Die Wimpern waren noch länger als Gabys Pupillenvorhänge — und
garantiert angeklebt. In den erstaunlich langen Ohrläppchen waren Gehänge
befestigt — wie Spielzeug am Weihnachtsbaum. Erst mit dem zweiten Blick stellte
Tarzan fest, worum es sich handelte: um goldene Elefanten mit aufgerolltem
Rüssel.
    „Nun?“
    Ihre Baßgeigenstimme kam tief aus der
Kehle, grollte im Rachen und rollte zwischen den Zähnen hervor wie fernes
Gewitter.
    „Guten Abend“, sagte Tarzan. „Wir
suchen ein Zimmer für meine Cousine. Sie ist eben mit der Bahn gekommen und
sollte eigentlich bei uns schlafen. Aber mein Bruder bekam heute die Masern.
Damit er uns nicht ansteckt, hat meine Mutter ihn ins Gästezimmer ausquartiert.
Haben Sie was frei?“

    Die Frau nickte, zeigte lächelnd zwei
Reihen falscher Zähne und winkte die beiden herein.
    „Kommt nur! Ihr habt Glück. Zur Zeit
sind nur wenige Gäste da. Das kleine Fräulein kann sich ihr Zimmer aussuchen.
Für wie lange soll’s sein?“
    „Genau wissen wir das noch nicht“,
meinte Tarzan. „Denn wenn mein älterer Bruder dieser Tage verreist, wird sein
Zimmer frei. Dann kann Inge... Also, zwei oder drei Tage, schätze ich.“
     „Mit Frühstück?“
    „Nicht nötig. Inge frühstückt bei uns.“
    Fehlte noch, dachte Tarzan, daß wir die
Kosten unnötig hoch treiben!
    „Ich bin Frau Waberina“, sagte die
Pensionswirtin.
    „Ich heiße Peter Carsten. Das ist Inge
Selbmann.“
    In einem langen Flur standen hohe
Schränke und Regale. Es gab numerierte Türen und solche mit der Aufschrift Privat. Küchengeruch legte sich beklemmend auf die Atemwege.
    Lydia Waberina wackelte beim Gehen wie
eine eilige Ente. Sie nahm eine Kladde vom Regal. Den Bleistift hielt sie mit
stumpfem Ende nach unten.
    „Wie war dein Name, kleines Fräulein?“
    „Inge Selbmann“, antwortete Inge.
    Frau Waberina merkte ihren Irrtum mit
dem Bleistift, drehte ihn umständlich um, brummte: „So was Dummes!“ und malte
den Namen in die Gästeliste.
    „Könnte ich ein Zimmer mit Bad haben?“
fragte Inge.
    „Da habe ich nur zwei. Das eine ist
belegt.“
    Wenn wir jetzt kein Glück haben, können
wir wieder gehen, dachte Tarzan.
    „Ich zeig’s dir.“
    Frau Waberina wackelte voran und
strebte Nr. 15 zu.
    Aus! dachte Tarzan. Na ja! eine
Glückssträhne reißt

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