Die Doppelgängerin
den Adern.
Karls Mutter, die die beiden Jungen
eingelassen hatte, kam herein und brachte eine zweite Servierplatte.
„Wie reizend von Ihnen, Frau Vierstein“,
sagte Klößchen. „Aber soviel war nicht nötig. Tarzan ißt wenig, und ich bin...
äh... neuerdings sehr zurückhaltend.“
„Iß nur, damit du groß und stark wirst“,
lachte Frau Vierstein. „Sonst noch Wünsche? Nein? Ihr wißt ja, wo die Limonade
steht. Karl, du versorgst deine Gäste.“
„Wie ein trinkgeldgieriger Oberkellner“,
antwortete Karl.
Als die Kinder wieder allein waren,
wandte Tarzan sich an Bärbel.
„Alle Kakteen gegossen?“
„Ach“, lachte Bärbel. „Das hatte ich im
Handumdrehen. Paulsen und Ehrlich haben sich nicht mehr blicken lassen. Gott sei
Dank! Ich bin dann gleich ins Krankenhaus gefahren, um bei der Dettl den
Hausschlüssel abzuliefern. Da stellte sich raus: Eigentlich wäre meine Kakteen
Versorgung gar nicht nötig gewesen. Ihre Schwester — auch ein unverheiratetes
Fräulein — saß nämlich bei ihr am Bett. Sie ist — als sie von der Erkrankung
hörte — sofort aus Oberriedenbach gekommen. Sie bleibt zwei, drei Tage und
wohnt natürlich im Haus ihrer Schwester. Da hätte sie die Kakteen übernehmen
können. Trotzdem bin ich froh, daß ich’s noch gemacht habe. So ist endlich
dieser häßliche Streit beigelegt.“
Tarzan nickte. „Und wie geht’s der
Dettl?“
„Ihr wird morgen der Blinddarm
rausgenommen.“
„Hoffen wir, daß sie die Operation gut
übersteht.“
Er griff nach einem Käsebrot.
Klößchen hatte bereits zwei
Leberwurstbrote verschlungen, indem er — zweihändig essend — mal rechts und mal
links abbiß, wobei er den Kopf bewegte wie ein Zaungast beim Tennisspiel. Jetzt
grapschte er sich die beiden größten Blutwurstbrote, und wieder mampfte er nach
rechts und nach links.
„Schade, daß du mit den Füßen gar
nichts machst“, sagte Gaby, „sonst könntest du dich für Geld sehen lassen.“
Klößchen schluckte einen Riesenbrocken
hinunter, ohne daran zu ersticken. Keuchend erklärte er: „Ich rationalisiere (zweckmäßig
vereinfachen) meine Nahrungsaufnahme, Gaby. Auf diese Weise schaffe ich das
Doppelte in halber Zeit.“
„Wie schlau!“ Bärbel amüsierte sich.
Klößchen machte den Clown und schnappte
heftig nach dem Brot in seiner rechten Hand. Daß er sich herzhaft in den Daumen
biß, war nicht vorgesehen.
„Der schmeckt ja scheußlich!“ rief er
empört, während Gaby das Brot auffing, das der mißhandelte Daumen nicht halten
konnte.
Alle lachten, und Tarzan meinte, dies wäre
ein typischer Fall von Selbstzerfleischung.
Dann wandte er sich an Karl und die
Mädchen.
„Also, was ist? Ich denke, ihr hockt
auf einem unglaublichen Problem?“
6. Nougat und Ölsardinen
Inge erzählte. Gaby ergänzte. Es
dauerte fast eine halbe Stunde, bis alles berichtet war.
Aufmerksam studierte Tarzan den
Kassiber des unbekannten Häftlings.
Klößchen hatte vor Aufregung noch zwei
Brote gegessen, diesmal mit Käse belegt. Karl polierte unentwegt seine Brille.
Allmählich wurden die Gläser dünn.
„Es kann kein Scherz sein“, sagte Inge.
„Die Vorgeschichte paßt zu gut. Es war vor drei Jahren, als bei Hartmut A.
eingebrochen wurde. Und er hatte die Marken.“
„Ein dickes Ei!“ Tarzan gab Inge den
Kassiber zurück. „Ich glaube auch: da ist nichts gesponnen. Die Angaben
stimmen. Fragt sich nur, ob die Pension noch existiert. Könnte ja sein, sie hat
Pleite gemacht — und jetzt ist dort ein Altersheim. Oder ein Kramladen. Oder
das Haus wurde abgebrochen. Oder man hat das Bad von Zimmer 17 erneuert — und
dabei die Marken gefunden. Ich schlage vor, wir klären das sofort.“
„Aber wie?“ fragte Klößchen mit vollem
Mund.
„Erst brauchen wir mal das neueste
Telefonbuch.“
Karl hatte es schnell zur Hand.
Tarzan blätterte und fand die Pension
Waberina, Inhaberin Lydia Waberina.
„Die gibt’s also noch. Gut.
Bleibetreu-Straße? Hm! Ich glaube, das ist mitten im Glasscherbenviertel. Unser
Glück.“
„Wieso?“ fragte Bärbel.
„In der Gegend“, sagte Tarzan, „werden
Tapeten erst erneuert, wenn sie wie Luftschlangen von den Wänden hängen. Und
daß ein Bad neue Kacheln kriegt — also, das kommt nur vor, wenn sie vorher
einen Gorilla mit ‘nem Preßlufthammer drin einsperren.“
Die Mädchen kicherten.
„Dann ist die blaue Mauritius bestimmt
noch da“, krähte Klößchen.
„Nicht die blaue Mauritius!“ rief Karl,
der Computer, der
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