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Die Doppelgängerin

Die Doppelgängerin

Titel: Die Doppelgängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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auch mal ab. Also, müssen wir...
    „So was Dummes!“ murmelte die Waberina.
    Sie hatte schon die Hand auf der Klinke
von Nr. 15, zog sie zurück und wackelte zur nächsten Tür — zu Nr. 17.
    Die scheint ihren zerstreuten Tag zu
haben, dachte Tarzan. Oder sie trägt zu schwer an den beiden Elefanten.
    Sie traten in Nr. 17, einen mit alten
Plüschmöbeln vollgestopften Raum. Das Bett sah aus, als hätte Lydia Waberinas
Großmutter dort die Nächte ihrer Kindheit verbracht. Gestickte Deckchen
bewahrten die Lehnen der beiden Ohrenbackensessel vor übermäßiger Abnutzung.
Über dem Bett hing ein „gar anmutiges Gemälde“. Fleischfarbene Englein tollten
über eine Frühlingswiese.
    Fehlt nur noch der Ball, dachte Tarzan,
dann wäre das ein himmlischer Bolzplatz.
    „Dort ist das Bad.“
    Tarzan stieß die Tür auf und schaute
hinein.
    Gekachelte Wände! Braungeflammte
Kacheln...
    Na also! Hier war nichts erneuert. Hier
hatte man in drei Jahren nicht mal eine neue Klobrille angeschafft. Der Hahn
überm Waschbecken tropfte. Der Spiegel war an einer Ecke blind.
    Ein herrliches Bad! dachte Tarzan.
Glatt 400 000 Mark wert — da wette ich.
    Er drehte sich um und lächelte Inge an.
Das war Antwort auf die stumme Frage in ihren grüngrauen Augen.
    „Das Zimmer nehme ich“, sagte Inge. „Hier
werde ich mich wohlfühlen.“
    „Bestimmt!“ bestätigte die Waberina
zwei Oktaven tiefer. „Kannst kommen und gehen, wann du willst. Kriegst einen
Hausschlüssel. Aber nach 22 Uhr kein Radio mehr! Und nicht baden. Außerdem
bezahlt man bei mir im voraus. Macht 60 Mark für drei Tage. Ohne Frühstück.“
    „Erstmal nur für zwei!“ sagte Tarzan
rasch. Jetzt, da ihnen das Zimmer sicher war, konnten sie auf den Köder des
längeren Aufenthalts verzichten. „Zwei ist wahrscheinlicher als drei, und
verlängern kann Inge ja immer.“
    Inge nickte.
    Die Waberina produzierte einige
unwirsche Baßtöne und strich 40 Mark ein, die Inge — samt Personalausweis — aus
ihrer Tasche nahm.
    „Wozu den Ausweis?“ winkte die
Pensionswirtin ab. „Ich glaub’s dir auch so, daß du mein Gast bist.“
    Tarzan biß sich auf die Zähne. Mann!
dachte er. Hätten wir das gewußt! Die führt ihre Pension wohl nach eigenen
Regeln? Oder ist das neuerdings üblich? Dann hätte Inge jeden x-beliebigen
Namen angeben können.
    Instinktiv spürte er: das wäre die
bessere Lösung gewesen. Obschon er im Moment noch nicht wußte, weshalb. Denn
daß bei ihrer Fliesenlegerarbeit im Badezimmer keine Spur zurückbleiben durfte,
war selbstverständlich.
    „Quittung?“ brummte Waberina.
    „Danke, die brauche ich nicht“, sagte
Inge schüchtern.
    „Dann angenehmen Aufenthalt!“
    Mit schaukelnden Elefantenohrgehängen
machte sie kehrt. Hinter ihr fiel die Tür zu.
    Tarzan und Inge sahen sich an.
    Inge preßte die Hände aneinander.
    „Ist noch alles so... Ich meine...“
    „Scheint unverändert!“ Er grinste.
    Im Badezimmer kniete er sich vor das
Waschbecken.
    „Gratuliere, Inge! Hier ist die Kachel
mit dem ein geritzten X! Phantastisch!“
    Inge setzt sich auf den Rand der Wanne.
    „Himmel!“ flüsterte sie.
    „Der ist offensichtlich auf deiner
Seite.“
    Er klopfte an die Kachel. Darunter war
ein Hohlraum. Man hörte es am Klang. Die anderen Kacheln dröhnten nicht so
verheißungsvoll.
    „Nur die Kachel trennt uns noch von dem
Schatz. Aber die ist makellos eingesetzt. Erstklassige Fugen. Vielleicht ist
dein unbekannter Briefschreiber Fliesenleger von Beruf. Jedenfalls — wir müssen
nachher sehr sorgfältig werkeln, wenn wir nichts kaputtmachen wollen.“
    Er stand auf.
    „Ich zische jetzt ab, Inge. Zwischen
zehn und halb elf bin ich wieder da. Daß ich unbemerkt reinkomme, wird nicht
möglich sein. Diese betagte Disco-Queen (Königin) hat sicherlich Ohren
wie ein Luchs. Aber ihr wird’s egal sein, ob du noch Besuch kriegst. Wenn sie
mich anmosert, sage ich einfach, ich bringe dir irgendwelche Sachen.
Schließlich habe ich ja eine Tasche bei mir. Alles klar?“
    Inge nickte. „Ich passe am Fenster auf
und werfe dir den Schlüssel runter.“
    Tarzan verabschiedete sich und ging zu
seinen Freunden zurück. Was er erzählte, löste Jubel aus.
    „Noch haben wir die Marken nicht“,
schwächte er ab. „Vor allem brauche ich Werkzeug, um die Kachel zu lösen.“
    „Und womit willst du sie festgipsen?“
fragte Klößchen. „Mit Gips?“
    „Wozu haben wir denn unseren
Superkleber“, lachte Tarzan.
    Jetzt trennten sich die Wege.

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