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Die Doppelgängerin

Die Doppelgängerin

Titel: Die Doppelgängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Angebot eines Supermarkts.
Die verehrte Chefin hätte nichts dagegen, wenn er mir ein Glas Südwein
spendiere! Dieser Kerl! Ich war noch höflich, Tarzan! Aber er ließ sich nicht
abwimmeln. Ich mußte ihm die Tür vor der Nase zuschlagen. Zehn Minuten später
hat er wieder geklopft. Und dann noch mal. Und war jedesmal betrunkener. Ich
kann unmöglich die Nacht über hier bleiben.“
    „Brauchst du auch nicht. Sobald wir die
Marken haben, gehen wir. Ruf doch Bärbel an, ob du für den Rest der Nacht bei
ihr pennen kannst.“
    „Da muß ich nicht anrufen. Ihre Eltern
führen ein großes Haus und sind sehr nett. Da kann ich immer kommen.“
    „Dann schreib einen Zettel für die
Waberina und leg ihn samt Schlüssel draußen auf die Kladde — wenn wir gehen.“
    „O ja! Nur raus hier! Ich bin dir eine
schöne Hilfe, wie? Aber ich kann’s nun mal nicht haben, wenn mir jemand so
aufdringlich kommt.“
    „Ich mache mich jetzt an die Arbeit.“
    Er ging ins Bad, knipste Licht an,
legte seine Tasche auf den Boden und kniete sich vor das Waschbecken.
    Mit Schraubenzieher, Ahle, einem alten
Taschenmesser und abgebrochenem Spachtel begann er vorsichtig, den Mörtel aus
den Fugen zu lösen.
    Es ging langsam voran. Er durfte keinen
Lärm machen und die Kachel sollte heil bleiben.
    Inge hatte ihren Zettel geschrieben,
kam herein, setzte sich auf den Rand der Wanne und sah ihm zu — atemlos vor
Spannung.
    Er arbeitete geschickt. Dennoch
splitterte ein kleines Stück Glasur von der Kachel ab.
    „Macht nichts!“ meinte er. „Das klebe
ich nachher wieder drauf.“
    Auf drei Seiten hatte er die Fugen
geöffnet. Dahinter war Hohlraum. Aber er hütete sich, mit der Ahle
hineinzustochern. Durchlöcherte Briefmarken waren so wertlos wie die Zeitung
von gestern.

     
    „Gleich haben wir’s, Inge.“
    „Gut, wie du das machst! Du kannst
wirklich alles.“
    „Schön wär’s. Aber die Ehre kommt mir
nicht zu. Ich... Au! Das ging in den Finger.“
    Er hatte sich die Haut aufgerissen.
Blut trat hervor.
    „Um Gottes willen!“ flüsterte Inge.
Offenbar sah sie das ganze Unternehmen schon gescheitert.
    Tarzan lachte. Dann hob er lauschend
den Kopf.
    „Ich glaube, dein Weinfreund ist wieder
da.“
    Tarzans Gegenwart gab ihr
Selbstvertrauen und Mut. Sie lief zur Tür.
    „Scheren Sie sich weg!“
    „Ich wollte doch nur fragen, ob du
morgen geweckt werden willst“, hörte Tarzan die Stimme von Lydia Waberina.
    „Wie? Ach, Sie sind’s. Nein, danke!
Nicht nötig.“
    Als Inge zurückkam, saß Tarzan auf dem
Rand der Badewanne und hielt eine Hand hinter sich.
    Die Kachel lag auf dem Boden. Der
Mörtel der Fugen war säuberlich zu einem Häufchen zusammengekehrt.
    Er lachte. „Dreimal darfst du raten,
was ich in der Hand habe.“
    Inge verdrehte die Augen nach oben. Vor
Freude schoß ihr das Blut ins Gesicht. Dann presste sie, wie es ihre
Angewohnheit war, die Hände zusammen.
    „Eine tote Maus? Nein. Ein Klavier?
Auch nicht. Doch nicht etwa... ich meine... es soll da zwei Briefmarken gegeben
haben...“
    Auf flacher Hand hielt er ihr den
Schatz hin.
    Es war eine Plastikhülle, auf drei
Seiten geschlossen, auf der vierten mit Tesafilm zugeklebt. Darin befand sich
ein — in halbdurchsichtiges Seidenpapier gewickeltes — Kuvert. Das Kuvert. Undeutlich sah man die beiden Briefmarken. Den Stempel. Vermerke.
Unleserliche Schrift.
    Inge atmete hastig.
    „Das also ist es. So sehen die aus?
Richtig unscheinbar, nicht? Und dafür... Es gibt also Leute, denen das 400 000
Mark wert ist.“
    „Wer schon alles hat“, sagte Tarzan, „und
sich alles leisten kann und nicht den prickelnden Reiz des Unerreichbaren
kennt, der nimmt es auch hin, wenn andere Schlauberger festlegen: dies und das
hat zwar überhaupt keinen tatsächlichen Wert. Aber aus Gründen der Seltenheit
kostet es ab sofort eine Million. Na ja! und wer mit Millionen um sich werfen kann,
der macht bei dem Spielchen mit. Bei Kunstwerken, die die schöne Seite des
Lebens bereichern, lasse ich mir das gefallen. Kunstwerke braucht man zwar
nicht unbedingt zum Überleben, aber sie machen das Leben erst lebenswert. Was
diese kleinen Papierfetzen betrifft — nun ja, Geschmacksache! Fest steht:
Philatelisten zahlen — so sie haben — 400 000 Mark dafür. Du und deine Familie
— ihr seid jetzt reich, Inge.“
    Was im nächsten Moment geschah — damit
hatte er nicht gerechnet.
    Spontan fiel sie ihm um den Hals.
    Ehe er sich versah, hatte sie ihn auf
die Wange geküßt.
    Er konnte

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