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Die Doppelgängerin

Die Doppelgängerin

Titel: Die Doppelgängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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halbe Minute betrachtete er
die Marken. Dann hob er den Kopf.
    „Hervorragende Repliken.“

    „Wie bitte?“
    „Ich sagte: es sind hervorragende
Repliken. Oder haben Sie geglaubt, die sind echt? Sie doch nicht, Herr
Selbmann! Sie als Experte (Sachkenner) !“
    „Was ich sehe, glaube ich schon lange
nicht mehr“, murmelte Hartmut A., „wegen meiner Augen. Sie werden von Tag zu
Tag schlechter. Eines Tages werde ich erblinden. Wie soll ich feststellen, ob
ich echte Marken oder Repliken vor mir habe? Herzlichen Dank für Ihre Hilfe,
Professor. Bitte, schicken Sie mir Ihre Rechnung.“
    Als der Professor gegangen war, sagte
Selbmann zu seinem Butler: „Die Repliken gehören in den Safe, Friedrich! Die
echten in die Goethe-Bände! Jetzt, drei Jahre nach dem Einbruch, stelle ich
fest: die echten befanden sich im Safe, und den Schund haben wir noch. Wie...
konnte das passieren? Du, nur du, Friedrich, bist für das Aufräumen
verantwortlich.“
    Die rosige Schweinchenhaut des Butlers
hatte sich burgunderrot gefärbt. Er wand sich vor Verlegenheit, was fast wie
ein Bauchtanz aussah.
    „Es... es... tut mir wahnsinnig leid,
Chef. Kann... kann... ich mir nur so erklären, daß ich... damals... jedenfalls...
ich bin ja nur Laie... eine Verwechslung kann vorkommen. Es ist mir überaus
peinlich.“
    Er verging fast vor Scham. Sogar sein
näselnder Tonfall war ihm während dieser Worte abhanden gekommen.
    „Drei Jahre“, murmelte Selbmann, „habe
ich geglaubt, es wären die echten. Erst dieser Junge hat mich aufgeschreckt.
Außerdem: daß der derzeitige Besitzer der Marken so schlecht sieht wie ich, ist
nicht anzunehmen. Oder?“
    „Äh... ich weiß nicht, Chef.“
    Friedrich näselte wieder.
     
    *
     
    Um 19.35 Uhr übernahm Tarzan von Herrn
Zonker die schwarze Aktentasche. Sie enthielt 120 000 Mark.
    „Mehr Bargeld“, sagte Zonker, „konnte
ich in der kurzen Zeit nicht aufbringen. Der Kidnapper weiß das. Ich habe es
ihm am Telefon gesagt; und er war sonderbarerweise damit einverstanden.
Offenbar ist er in Panik. Er begnügt sich mit dem Spatz in der Hand, weil die
Taube auf dem Dach... Mein Gott! Ich zittere vor Angst. Wenn nur Bärbel nichts
zustößt! Tarzan, es liegt jetzt an dir. Aber, bitte, riskiere nichts! Wenn du
merkst, daß du keine Chance hast — dann gib ihm das Geld. Dann können wir nur
darauf vertrauen, daß er Bärbel wirklich freiläßt. Aber...“, er zögerte, und
seine Stimme wackelte erbärmlich, „sicher bin ich mir nicht. Es könnte sein,
daß er mit neuen Forderungen kommt. Weil er wirklich die 500 000 will.“
    Tarzan nickte.
    Sie standen in der Diele der
Zonkerschen Villa.
    Bärbels Mutter ließ sich nicht blicken.
Sie befand sich am Rande eines Nervenzusammenbruchs.
    „Du weißt, wo es ist?“ fragte Zonker.
    „Ich kenne die Gegend vom alten
Industriegelände.“
    „Wirst du’s schaffen, bis um acht?“
    „Leicht. Also, bis später.“
    Tarzan lief hinaus, schnallte die
Tasche auf dem Gepäckträger fest und fuhr im Höllentempo quer durch die Stadt
zum ehemaligen Industriegelände.
    Kurz vor acht fuhr er an der kahlen
Mauer entlang, die zu einem breiten Tor führte. Dort hielt er. Er stieg ab,
schob sein Rad durch das Tor, stellte es hinter die Mauer und brachte das
Kabelschloß an — was vielleicht überflüssig war, denn außer den Kidnappern
befand sich niemand in der Nähe.
    Er nahm die Aktentasche. Aus den
Augenwinkeln spähte er umher, als er an Schuppen, verfallenen Bürogebäuden,
Fertigungshallen und Lagerhäusern vorbeiging.
    Es war das ehemalige Gelände eines
kunststoffverarbeitenden Unternehmens namens Pini. Im Hintergrund ragte ein
gewaltiger Fabrikschornstein auf. Dorthin hatte der Kidnapper den Geldboten
bestellt.
    Nicht schlecht gewählt, dachte Tarzan.
Die Gegend ist tot wie ein Friedhof um Mitternacht. Es würde sofort auffallen,
wenn sich Polizisten anschleichen. Der Kidnapper muß nur auf den Wasserturm
steigen — dort hinten. Von dort hat er Überblick.
    Er näherte sich dem Schornstein.
    Im dunklen Winkel eines Mauervorsprungs
stand eine Gestalt. Man brauchte ungewöhnlich scharfe Augen, um sie zu
entdecken. Aber Tarzan verfügte darüber.
    Er sah in andere Richtung. Dort stand
ein Mann.
    Also doch zwei, dachte er. Von mir aus...
    Sie gingen aufeinander zu. Tarzan
musterte den brettharten, hageren Gaultyp. Gesehen hatte er den Kerl noch nie.
    „Ich bin der Geldbote.“
    „Das sehe ich.“
    „Führen Sie mich zu Bärbel. Dann
kriegen Sie das

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