Die Drachen Der Tinkerfarm
verheerende Konsequenzen haben – es konnte alles zunichte machen.
Am besten wäre es natürlich, wenn man jemand anders dafür einspannen könnte …
Verschiedene Strategien abwägend schickte Colin die Email ab und begab sich in die Küche zurück. Zu seiner Befriedigung teilte seine Mutter ihm mit, sie habe diesen Blagen für den Abend Stubenarrest verordnet und Caesar aufgetragen, ihnen das Essen auf dem Tablett zu bringen und bis zum frühen Morgen vor ihrer Tür Wache zu stehen. Colin grinste – damit waren alle drei bestraft. Den Rest des Abends über tat er lammfromm alles, was sie von ihm verlangte, und zum Schluss tätschelte sie ihm sogar die Schulter. Colin mochte das nicht. Nur ein kleiner Junge musste von seiner Mutter getätschelt und gelobt werden. Er war stärker. Deswegen würde er es in der Welt auch zu etwas bringen.
Dennoch dauerte es eine ganze Weile, bis er an dem Abend einschlief, und er träumte unruhig von zornigen, rachsüchtigen Ungeheuern.
Es klang wie ein Gewehrschuss, als seine Mutter am Morgen klopfte.
»Steh auf, Colin, es ist schon fast sechs! Geh diese Kinder zum Frühstück holen! Sofort, bitte!«
»Aber ich wollte noch duschen …«
»Sofort!«
Schlecht gelaunt stand er auf. Es war kaum Tag, und schon machten diese unerwünschten Fremden ihm Ärger. Er hasste es, den Tag, zumal einen heißen Sommertag, wie es einer zu werden versprach, ungeduscht zu beginnen. Am Nachmittag würde er sich dann fühlen, als würden auf seiner klebrigen Haut irgendwelche Sachen wachsen, so was wie die Kletterpflanzen, die das unbenutzte Treibhaus eingewuchert hatten.
Er schlug laut an Tyler Jenkins’ Tür, um ihn zu wecken. Sobald der Junge grummelnd und mit halbgeschlossenen Augen ins Bad abgezogen war, klopfte Colin etwas weniger rüde bei Lucinda. Beim Aufmachen hatte sie nur ein langes T-Shirt an, unter dem die Haut ihrer Beine fast so blass war wie die seiner Mutter. Das würde nicht lange so bleiben, nicht in der gnadenlosen Sommersonne auf der Ordinary Farm.
»Zeit, dass ihr zum Frühstück kommt«, teilte er ihr mit. »Es wird ein langer Tag werden, da müsst ihr euch tüchtig stärken.« Er kam sich bei diesen Worten ein wenig blöd vor, wie einer, der Reklame für Frühstücksflocken machte, aber irgendwie hatte er ein schlechtes Gewissen, weil er sie aus dem Bett geworfen hatte. Sie sah müde und mitgenommen aus.
Klar, sie hatte erst Stunden zuvor zum ersten Mal Meseret gesehen. Er konnte sich kaum vorstellen, wie das auf jemand Außenstehenden wirken musste.
»Oh, danke, Colin«, sagte sie. »Kleinen Moment, ich bin gleich so weit.«
Sie schloss die Tür. Sie hatte sich tatsächlich bei ihm bedankt. Ganz anders als ihr Bruder, der in dem Moment aus dem Bad kam, wo die Toilette noch gluckerte. »Was glotzt du denn so?«, wollte Tyler wissen.
»Nicht auf dich, kann ich dir versichern.«
»Können wir den Drachen noch mal sehen?«
»Das habe ich nicht zu entscheiden.«
»Dann erzähl mir wenigstens, wie er hergekommen ist.«
»Dazu bin ich nicht befugt.« Colin seufzte. Kinder. »Wenn ihr beide fertig seid, erwarte ich euch hinten im Flur an der Treppe und bringe euch dann ins Esszimmer.« Beim Weggehen hielt er den Rücken so straff er konnte. Er würde diesen Rotznasen zeigen, was Würde war. Wenn seine Mutter bei ihm auf eines achtete, dann auf eine gute Haltung. Er ignorierte das Schnauben, das Tyler hinter ihm ausstieß. Der Junge war ja praktisch ein Wilder.
Zehn Minuten später führte Colin, der weiterhin nicht auf Tylers unablässiges Fragen einging, die beiden in die Küche, wo er ihnen die Frauen vorstellte, die das Frühstück machten: die rotbackige Sarah, blond, rund und fürsorglich, die hochgewachsene, vornehme Azinza aus Westafrika und die kleine, ernst dreinschauende Tibeterin Pema. Colin wusste, dass keine der jungen Frauen ihn besonders gern mochte, aber sie fürchteten alle seine Mutter und verhielten sich deshalb höflich. Nachdem alle Namen genannt waren, bugsierte er die Jenkins-Kinder aus der Küche und weiter in das Esszimmer mit seinen langen Tischen. Die meisten Arbeiter saßen schon an ihrem Platz, und sie blickten sich neugierig nach den Neuankömmlingen um.
Der Serviertisch, zu dem Colin Lucinda und Tyler führte, war an diesem Morgen reichlich gedeckt mit Eiern aller Art, Speck, Würsten, Schinken, Kartoffelpuffern, gebratenen Pilzen und Tomaten (die Tyler Jenkins geflissentlich mied, obwohl er sich von allem anderen mehr als genug
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