Die Drachen von Montesecco
römischen Chaos Richtung Meer strömte. Ein Lichtstreifen, der verschwand, als eine Grabplatte verschlossen wurde. Dann pfiff nur noch der kalte Wind in Curzios Ohren. Eigentlich war es eher ein melodisches Rauschen, ein Lied in einer fremden Sprache, die man nicht beherrschen mußte, um die Aussage zu verstehen. Es handelte davon, daß der Wind noch wehen würde, wenn die Knochen der letzten Menschen schon längst zerfallen waren. Auch dann würde er jeden Tag neu geboren werden, sobald sich das Land erwärmte und vom Meer her Luft ansog. Er würde durch die Täler streichen, auf die Hügel klettern und geduldig an den Mauerresten nagen, die noch davon zeugten, daß einst Menschen ihr Leben wichtig genommen hatten.
Alles war, wie es war. Curzio wußte jetzt, wie Benito gestorben war. Geld, Habgier, Haß und Neid mochten die Welt regieren, aber in diesem Fall hatten sie keine Rollegespielt. Benito hatte einfach beschlossen, mit dem Wind zu gehen. Curzio spürte, wie die kalte Luft in seine Poren eindrang. Er sollte aufstehen, er hatte noch ein paar Dinge zu regeln. Bei Angelo Sgreccia wollte er sich entschuldigen, daß er ihn für einen Mörder gehalten hatte. Seiner Tochter mußte er auftragen, ihn nicht in eine Grabnische auf dem Friedhof einzusperren. Sie sollten seine Leiche verbrennen und die Asche am frühen Morgen über dem Meer verstreuen. Aber vielleicht war auch das nicht so wichtig. Curzio konnte jetzt nicht aufstehen. Er wollte auch nicht. Er spürte seine Gesichtshaut nicht mehr. Mit klammen Fingern knöpfte er seine Jacke auf. Dann nahm er das Halstuch ab und schlang es um die Armlehne des Liegestuhls. Das Tuch flatterte in den Böen. Das war gut so.
Gianmaria Curzio streckte die Arme aus. Er fühlte sich leicht. Er brauchte nur zu warten, bis der Wind ihn mitnahm.
Informationen zum Buch
Glauser-Preisträger Jaumann läßt ein ganzes Dorf ermitteln
Das besinnliche Leben in Montesecco gerät durcheinander, als sich der alte Benito Sgreccia drei Huren aus Rom kommen läßt, drei Tage hemmungslos praßt, sich am vierten Tag in den Herbstwind setzt und stirbt. Nur Gianmaria Curzio, der den Tod seines besten Freundes schwer verkraftet, vermutet ein Verbrechen und forscht nach. Als bekannt wird, daß der Tote ein unbegreifliches Millionenvermögen hinterlassen hat, wittern die anderen Dorfbewohner die Chance ihres Lebens. Kurz darauf wird der achtjährige Sohn Catia Vannonis entführt, ein verschlossener Junge, der nur mit seinen Papierdrachen glücklich ist. Jeder im Dorf fragt sich, wer der Kidnapper ist, der Sgreccias Millionenerbe erpressen will. Einen Mord und viele Verdächtigungen später weist ein Papierdrachen am Himmel den Weg zum Entführer.
Das kleine Bergdorf Montesecco in der Mitte Italiens ist wieder in Aufruhr: Ein Millionenvermögen weckt die Gier seiner Bewohner. Als auch noch ein Kind entführt wird, ist jeder verdächtig, und alle ermitteln. Ein Krimi mit unverwechselbaren Typen, die das italienische Lebensgefühl in all seiner Vitalität und Beschaulichkeit wiedergeben: »Wir sehen dieses italienische Dorf vor uns, die Piazza, die klapprige Bar - wunderbar!« DIE ZEIT
Informationen zum Autor
Bernhard Jaumann wurde 1957 in Augsburg geboren. Studium in München. Er war zehn Jahre Lehrer für Deutsch, Geschichte, Sozialkunde und Italienisch in Bad Aibling, unterbrochen von einjährigen Auslandsaufenthalten in Italien und Sydney/Australien. Seit 1997 lebt er in Mexiko-Stadt.
Sein erster Kriminalroman, »Hörsturz«, erschien 1998; zweiter und dritter Band seiner Krimireihe um die fünf Sinne erschienen 1999 (»Sehschlachten«,»Handstreich«).
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Jaumann, Bernhard
Die Vipern von Montesecco
Touristen verirren sich nicht in das verschlafene Dorf Montesecco. Nur ein paar Dutzend Menschen leben hier, im Hinterland der Adria. Es ist ein ungewöhnlich heißer Juli. Gewitter liegen in der Luft, denn einer aus ihrer Mitte ist tot: Eine giftige Viper hat Giorgio Lucarelli gebissen. Was wie ein Unfall aussieht, scheint ein wohlgeplanter Akt der Rache gewesen zu sein. Carlo, der Vater des Toten, untersagt die Beerdigung, bevor der Täter nicht gefaßt ist, und verunglückt kurz darauf selber tödlich. Ganz Montesecco sucht den Mörder – und nahezu jeder im Ort ist verdächtig. Und während in der Hitze des Sommers zwei Leichen ihrer Beisetzung harren, verbreitet sich das Gift der Vipern wie im Flug.
»Jaumann schmückt seine
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