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Die Drachen von Montesecco

Die Drachen von Montesecco

Titel: Die Drachen von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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konnte.
    Nur Angelo Sgreccia wollte davon nichts merken. Er hatte seinen Vater verloren. Auch wenn sie früher öfter aneinandergeraten waren und jeder sein eigenes Leben gelebt hatte, so war Benito doch immer sein Vater geblieben. Angelo versuchte, sich an Szenen aus seiner Kindheit zu erinnern, sich Episoden zu vergegenwärtigen, in denen sie miteinander gesprochen und zusammen gelacht hatten, doch sie blieben seltsam schemenhaft und verschwanden hinter dem dumpfen Gefühl der Leere, das sich in ihm festgebissen hatte und mit dem Pulsschlag schwer durch seinen Körper pochte. Angelo ging in die Küche. Er drehte den Wasserhahn auf. Die Garzones, die am Tisch saßen, nahm er nicht wahr, bis Ivan fragte, ob er bei einem Beerdigungsinstitut anrufen solle. Angelo nickte abwesend und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser ab. Als er sich wieder zur Tür wandte, kamen zwei der Nutten herein und sprachen ihn an.
    »Unser tief empfundenes Beileid!« sagte die blonde Piroschka.
    »Er war ein guter Mensch«, sagte die schwarzhäutige Laura.
    »Es ist jetzt sicher ein unpassender Moment …« Piroschka stockte.
    »… aber wir möchten Sie in Ihrer Trauer nicht länger stören«, fiel Laura ein. »Wir würden gern abreisen. Der Chauffeur ist schon verständigt. Es ist nur …«
    »Unser Honorar.«
    »Wir hatten mit Ihrem Vater eine Vereinbarung getroffen.«
    »Dreitausend Euro«, sagte Piroschka und fügte schnell hinzu: »Für alle drei.«
    »Pro Tag«, ergänzte Laura.
    »Ihr Vater hat es uns bar auf die Hand versprochen.«
    Marta Garzone zischte die beiden an, daß das wohl das letzte sei, was sie je in ihrem Leben gehört habe, doch Angelo winkte ab. Er wollte keine Auseinandersetzung. Nicht jetzt.
    »Es tut uns schrecklich leid …«, sagte Laura.
    »… aber Vereinbarung ist Vereinbarung«, sagte Piroschka.
    »Genug!« Angelo wollte nichts mehr hören. Die drei sollten ihr Geld bekommen und dann verschwinden.
    Ivan Garzone sagte: »Das sind neuntausend Euro! Woher willst du denn so eine Summe …?«
    »Zwölftausend!« sagte Laura.
    »Den heutigen Tag eingerechnet«, sagte Piroschka.
    »Im Billardraum steht ein kleiner Tresor«, sagte Laura.
    »Den Schlüssel hat er um den Hals hängen«, sagte Piroschka.
    Angelo schüttelte den Kopf. Dann wandte er sich an die Garzones und bat sie, das für ihn zu erledigen. Er könne das jetzt nicht. Er schaffe es einfach nicht.
    »Wir …«, sagte Marta.
    »Bitte!«
    Marta und Ivan verließen die Küche. Angelo wartete, bis sie den Schlüssel geholt hatten und die Treppe nach oben stiegen. Dann ging er zurück zum Körper seines toten Vaters, zu seinem dumpfen, begriffslosen, ihm selbst ungenügend erscheinenden Schmerz und zu seiner Unfähigkeit, auch nur eine einzige schöne Erinnerung wieder lebendig werden zu lassen.
    Der Tresor war ein topaktuelles Modell, das selbst einem professionellen Einbrecher große Probleme bereitet hätte. Doch professionelle Einbrecher gab es in Montesecco nicht, und sie hätten auch nicht den geringsten Grund gehabt hierherzukommen. Bisher wenigstens. Für Ivan Garzone jedenfalls war ein Tresor die überflüssigste Anschaffung, die man sich denken konnte. Da mochte Marta noch so sehr einwenden, daß man mit allem rechnen müsse, wenn man sich geldgierige Nutten ins Haus hole. Trotzdem war Ivan gespannt, als er den Schlüssel drehte. Immerhin hatte der alte Sgreccia in den letzten Tagen für einige Überraschungen gesorgt.
    Ivan zog die schwere Stahltür des Tresors auf. Im oberen Fach befanden sich Papiere, im unteren stand eineSchuhschachtel, deren Pappdeckel sorgfältig geschlossen war. Ivan zog sie heraus und öffnete sie. Darin lagen, sauber aufeinandergeschichtet, vier Stapel von druckfrischen Zehn-, Fünfzig-, Einhundert-und Fünfhundert-Euro-Scheinen.
    »Porca madonna!« entfuhr es Ivan. Er nahm den Fünfhunderterstapel heraus. »Schau dir das an, Marta, das sind garantiert hundert Scheine! Das macht, äh, fünzigtausend Euro allein in Fünfhundertern, das sind hundert Millionen Lire, kannst du dir das vorstellen? Hundert Millionen Lire! Und dazu kommt das Kleingeld, sicher noch mal … Hörst du mir überhaupt zu, Marta?«
    Marta blätterte den Stapel Papiere aus dem oberen Fach durch.
    »Doch, klar, fünfzigtausend Euro plus das ganze Kleingeld«, sagte sie.
    »Ja und? Ist das nichts?«
    »Doch, für uns schon«, sagte Marta. Sie schob Ivan zwei Sparbücher und ein paar Kontoauszüge hinüber. »Schau dir mal das an!«
    Ivan wog den Stapel

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