Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
gar nicht. Weder dich noch ihn.«
» Es ist ein Mädchen«, sagte Linn, aber ansonsten war sie immer noch wie gelähmt, sie versuchte nicht einmal, die Kleine zu trösten. Sie starrte den Mann an, der aus dem Boden geschossen war wie eine unerwartete Frühlingsblume im Spätsommer, und wusste nicht, ob sie noch atmete, ob ihr Herz noch schlug, ob sie überhaupt noch lebte.
» Sie starrt mich an«, sagte der Besucher zu den Kindern. » Ist das etwa höflich, jemanden so anzustarren? Ist es richtig, hier in Brina, macht man das bei euch so?«
» Ja!«, riefen ein paar, während andere lauthals verneinten.
Der Narr streckte die Hand aus und berührte Linns linke Wange.
» Eine Träne«, stellte er sachkundig fest. » Warum? Was hätte ich getan, um dich zum Weinen zu bringen? Euch beide sogar. Seid ihr Zwillinge, einer klein und einer groß, dass ihr immer alles gleichzeitig tut? Ich dachte, du freust dich, wenn ich dich besuche.«
Nun streckte er die zweite Hand aus und wischte auch die Tränen von ihrer rechten Wange.
» Ich bin hergekommen, um mich mit dir zu freuen«, sagte er. » Über dein Glück. Jemand sagte mir einmal, als ich es wagte, ein klein wenig eifersüchtig zu sein: Wärst du ein Freund, würdest du dich freuen. Also habe ich beschlossen, ein Freund zu sein. Oh, ich hoffe, ich bin stark genug.« Seine Augen waren unruhig, sie wanderten von ihr zu dem Kind und wieder zurück. » Doch wenn du stark genug bist, es zu tragen, warum sollte ich nicht stark genug sein, es bloß anzusehen?«
» Linn! Warum lässt du sie weinen?« Finera rannte über die Wiese und riss ihr das Mädchen aus dem Arm. Sie warf dem Fremden einen misstrauischen Blick zu und scheuchte die Kinder fort. Dann verschwand sie wieder, aber Linn merkte auch davon nichts.
» Wer war denn das?«
» Die Mutter«, sagte Linn. » Meine Schwägerin.«
» Es ist gar nicht deins?«, fragte der Narr munter. » Dabei hat es so gut in deinen Arm gepasst. Wart ihr etwa nicht fleißig genug? Wo ist Yaro?«
» Es hat keine Hochzeit gegeben«, brachte sie schließlich heraus.
» Keine Hochzeit? Du bist nicht verheiratet? Wie konnte Yaro Tausendschön es wagen, dich nicht zu heiraten, Drachenmaid?«
» Nival … Jikesch …« Sie versuchte, ihren Arm zu bewegen, ihre Hände, und sich über die Augen zu wischen, weil sie kaum noch etwas sah. Zu ihrer Überraschung gelang es ihr. » Wieso hast du deine Stimme wieder? Du bist der Ratgeber des Königs, warum … Was machst du hier?«
» So viele Fragen«, sagte er leise. » Meine Stimme? Dein Bruder ist ein Zauberer, Linnia, und er wird immer besser. Ich fürchte, bald kann ihm keiner mehr etwas vormachen. Wie er Chamijas Kräuter und Pasten ausprobiert und damit experimentiert, das hast du noch nicht gesehen. Hier bin ich, sein größter Erfolg. Der König? Hört sich meinen Rat an und tut am Ende doch das, was er will. Es ist nicht annähernd so spaßig, der Ratgeber des Königs von Schenn zu sein, wie ich dachte, und so hat mich die Wanderlust gepackt. Bin ich nicht ein Tensi? Der Wind hat mich erfasst und hergeweht. Was ich hier mache? Ich bin gekommen, um dein Glück zu sehen. Dein Glück, Linnia, Drachenmaid. Wo ist es?«
Auf einmal war sie die Stumme. Sie kämpfte mit ihrer Zunge, die ihr nicht gehorchen wollte. » Glück?«, krächzte sie schließlich. » Du Dummkopf! Du Narr! Dachtest du denn, ich könnte glücklich sein – ohne dich?«
» Sie hat mich einen Dummkopf genannt«, flüsterte er zur Seite hin, wo jedoch keine Zuschauer mehr jubelten. In die Stille sprach er es, diese Stille, wie sie es nur in Brina gab, erfüllt vom Rauschen des Baches und dem Klappern der Mühle. » Sie liebt mich, heißt es das?«
» Ja«, sagte Linn trotzig. » Den größten Dummkopf, den ich kenne. Komm, ich zeige dir mein Haus. Yaro hat es gebaut, aber er wollte es nicht geschenkt haben. Bist du auch so stolz?«
» Stolz?« Er lachte und warf sich vor ihr auf die Erde. » Ich bin der Demütigste von allen, Herzallerliebste. Es gibt heute Geschenke? Ringe und Kronen und Schlösser? Immer her damit!«
» Bitte schön. Durch ein Spiel gewonnen, mit deinem Geld gewettet. Ein Haus, einen Wald, einen Bach. Wenn du es denn willst. Aber ich kann nicht singen.« Ihre Stimme wurde immer lauter, immer grimmiger, immer entschlossener. » Willst du es, Jikesch? Willst du alles?«
» Natürlich«, sagte er, und in seinem Lächeln lag noch etwas anderes, das ihr einen Schauer der Erwartung über die Haut
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