Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
frei.«
» Gut«, sagte er, ohne sie anzusehen.
Sie versuchte sich vorzustellen, wie es sein würde, mit ihm hier zu leben, und zu ihrer eigenen Überraschung konnte sie sich ausmalen, wie es wäre. Morgens an seiner Seite zu erwachen. In der kleinen Küche gemeinsam zu essen. Alles war auf eine seltsame Weise vertraut.
» Meinen Eltern ist nicht nach einem Fest zumute«, sagte sie. » Wir sollten es nicht überstürzen.«
Wie an jedem Tag, an dem der Büttel kam, gab Lester sich seiner miesesten Stimmung hin. Knurrend schlich er durch die Mühle, und man ging ihm am besten aus dem Weg. Merok war es überlassen, den Karren mit den Abgaben für den Sommer zu beladen.
» Nicht gerade viel«, sagte Linn, die ihm dabei zusah. » War es früher nicht mehr?«
Linns jüngerer Bruder war kein garstiger Jugendlicher mehr, der sie immerzu ärgerte. Jung und blond, mit blauen Augen, sah er aus wie ein Abbild von Binia. Seine Begrüßung war unerwartet herzlich ausgefallen. Als er Linn in die Arme schloss, als hätte er sie unendlich vermisst, fühlte sie sich zu Hause. Sie war nie auf die Idee gekommen, dass ausgerechnet er sie vermissen könnte. Auch mit seiner Frau Finera, einer hübschen, freundlichen Brünetten, kam sie gut zurecht, und der kleine Harli, ihr Neffe, wetteiferte mit den Katzen um ihre Gunst.
» Das Jahr war nicht besonders ertragreich. Viel Korn gab es nicht, weil so viele Bauernsöhne in den Krieg geschickt wurden.«
» Es wird noch eine Weile dauern, bis sie zurück sind. Der Weg von Khanat bis nach Nelcken ist weit.« Linn half ihm beim Ziehen. » Kommt immer noch derselbe Büttel wie früher?«
» Der Rinek eingesperrt hat?« Merok lachte ohne jede Bitterkeit. » Rakion. Genau der. So viel hat sich hier gar nicht verändert, wie du siehst.«
» Ich komme mit.«
» Du machst aber keinen Ärger, hoffe ich?« Er warf ihr einen zweifelnden Seitenblick zu.
» Ich? Wo denkst du hin? Ich muss mich nur wieder richtig eingewöhnen.«
» Wenn du den Büttel beleidigst, landest du im Gefängnis, und die Hochzeit muss abgesagt werden. Ist das die Absicht dahinter?«
» Ich werde ihn nicht beleidigen! Bin ich etwa Rinek?«
Merok lachte leise. » Du könntest seine Zwillingsschwester sein. Abgesehen davon, dass du natürlich hübscher bist. Ich wünsche dir viel Glück. Dir und Yaro.«
Etwas in seiner Stimme ließ sie aufhorchen. » Was ist mit Yaro? Wenn du mir irgendetwas sagen willst, dann heraus damit. Liebt er eine andere? Heiratet er mich nur, weil es so abgesprochen war und er eine alte Verpflichtung erfüllen will? Da stimmt doch was nicht.« Sie drehte ihm freundschaftlich den Arm auf den Rücken, aber dann merkte sie, wie ernst es ihr im Grunde war. » Sag mir die Wahrheit, Merok. Jetzt.«
» Au! Du bist immer noch genauso verrückt wie früher!«
» Was stimmt nicht mit Yaro?«
» Lass mich los! Ich sage es dir ja.«
» Nun?«
Merok bewegte vorsichtig seinen Arm. » Meine Güte, bist du rabiat. Wenn du dich so benimmst, verdienst du die Wahrheit, wirklich, auch wenn es für dich besser wäre, du wüsstest sie nicht. Es war Binia.«
» Binia?« Der Name traf Linn wie ein Pfeil. » Yaro und Binia?«
» Er ahnt nicht, dass ich es herausgefunden habe. Sie dachten beide, dass keiner es merkt, aber ich bin nicht blind, weißt du? Sie waren so schrecklich ineinander verliebt, dass die Luft um sie her in Schwingungen geriet.«
» Aber …« Linn war immer noch wie erschlagen von dieser Nachricht. Flammender Zorn erfüllte sie. Wie konnte dieses kleine Biest es wagen! Sich an Yaro heranzumachen, ihren Yaro! Dabei hatte sie so unschuldig gelächelt, in jener Höhle in Steinhag, und getan, als würde sie sich über das Wiedersehen freuen! Während sie hinter ihrem Rücken mit ihrem Verlobten anbandelte …
Aber Binia war tot.
Ihre Wut verrauchte so schnell, wie sie aufgeflackert war.
» Deswegen ist Yaro damals mit Rinek nach Lanhannat gereist. Kurz vorher fing es an, und ich glaube, er wollte dich suchen und in Erfahrung bringen, ob du immer noch etwas empfindest, ob er noch an eure Verlobung gebunden ist oder nicht. Als er dann zurückkam, ohne Rinek, war er irgendwie verändert. Er hat mir erzählt, dass er auf dem Weg ein paar Wegelagerer getötet hat, die ihn überfallen haben, mit einer verzauberten Drachenschuppe. Ich habe ihm versprochen, es nie jemandem zu verraten, aber wenn du schon alles weißt, solltest du auch darüber Bescheid wissen. Dass er jemanden umgebracht hat, hat Yaro
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