Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
gehörte. Wie eine Drachenschuppe, glänzend und glatt, etwas, das alles verändern konnte. Ein Zauber, der die Welt bezwang. Ohne Unterricht war es unmöglich, Zugang zu dieser anderen Magie zu finden, die in allem lag, obwohl ihr manchmal fast war, als könnte sie etwas davon spüren. Einen Hauch von Wissen, eine Ahnung, wie eine Einladung, die jemand ihr zurief, der sehr weit entfernt war.
Natürlich achtete sie darauf, dass niemand etwas davon mitbekam. Ihre neue Stelle bei der Burgwache des Vogts konnte nicht davon abhängen, ob sie Zauberei ausübte – die neuen Gesetze waren schließlich auch hier in der Provinz angekommen –, doch das Misstrauen der Dorfbewohner saß tief, und vielleicht hätte Finera gezögert, ihr die Kleine anzuvertrauen.
» O Arajas«, seufzte ihre Mutter regelmäßig. » Du bist schon so alt, Linn! Über zwanzig! Wer wird dich jetzt noch haben wollen? Nach einer geplatzten Verlobung? Nach dieser Geschichte mit Rakion? Wir können nur hoffen, dass die Menschen vergessen. Wenn das Jahr um ist, können wir uns vielleicht vorsichtig in den Nachbardörfern umhören.«
Der Mann, den ich will, wohnt in einem Schloss im fernen Lanhannat … und ich bin eine Verbannte.
Manchmal war die Versuchung fast übermächtig, Nival einen Brief zu schreiben und die Zeilen einem Kaufmann auf der Durchreise in die Hauptstadt mitzugeben. Aber wie hätte sie das tun können? Er glaubte, sie wäre glücklich, und konnte sich auf seine Arbeit konzentrieren, auf seine Berufung, seinen langjährigen Traum – dem König zur Seite zu stehen, in einem Land, in dem Zauberei nicht länger verboten war. Wie hätte sie ihm das verderben können?
» Mutter, ich brauche keinen Mann. Wirklich nicht.«
Es hatte keinen Zweck. Wenigstens, dachte Linn, sieht sie es gerne, dass ich mich um Nia kümmere, wenn ich auch sonst in ihren Augen nichts richtig mache.
Sie nahm ein neues Blatt auf und hielt es vor das Gesicht des winzigen Mädchens, das mit seinen dicken Händchen danach griff und danebenfasste.
» Konzentrier dich«, befahl Linn liebevoll. » Du schaffst das, mein Äffchen.«
» Linni! Linni!« Harli raste den Waldweg hinauf. » Komm schnell! Komm, da ist einer in der Mühle!«
» Wo? Wer?« Ihr Herz begann wild zu schlagen. Gab es Ärger? Oder – noch wagte sie nicht, die plötzlich aufwallende Hoffnung auszusprechen – war Rinek zurückgekehrt? Sie nahm das Baby hoch und folgte dem aufgeregten Jungen durch den Wald hinunter ins Tal. Auf der Wiese hinter der Mühle hatten sich sämtliche Kinder des Dorfes eingefunden. Linn drängte sich durch die Menge. Zuerst sah sie den schwarzen Esel, der sich am Gras gütlich tat. Dann den Besucher.
Nein, es war nicht Rinek.
Es war ein Gaukler. Er machte Handstand, wodurch sein Gesicht nur schwer zu erkennen war. Die Glöckchen an seiner Narrenmütze klingelten.
» Euer Dorf ist falsch herum!«, krähte er. » Der Himmel ist unten, und die Häuser sind oben! Da fließt ein Bach, warum fällt denn das Wasser nicht runter? Warum klebt ihr mit euren Hintern an den Wolken?«
» Dreh dich um!«, rief ein Kind. » Wir sind richtig, du bist falsch!«
» Steh auf!«, rief ein zweites.
» Da ist eine Frau«, sagte der Narr. » Was für eine komische Frau, habt ihr so eine je gesehen? Ihre Füße stecken im Himmel, und ihr Haar will Wurzeln schlagen. Sie wächst am Kopf fest! So etwas gibt es nur in Brina!«
Er ließ sich nach hinten fallen, rollte durch das Gras und sprang vor Linn auf die Füße. Die Mütze saß schief auf dem blonden Haar. Das Gesicht war etwas heller gepudert, aber seine feinen Züge waren unverkennbar. Die grauen Augen, in denen der Schalk aufblitzte.
» So ist es richtig!«, rief er. » So muss es sein!«
Die Kinder lachten.
Linn konnte sich nicht von der Stelle rühren. Der Narr beugte sich über das Kind in ihrem Arm und betrachtete es.
Sie brachte kein Wort heraus, während er den aufgeregten Dorfkindern auseinandersetzte, warum das Baby vollkommen sei und etwas ganz und gar Besonderes.
» Es hat Äuglein, welch Wunder!«
» Wir auch!«, schallte es ihm entgegen.
» Ein Näschen! O Barradas, was für ein Näschen, nasiger könnte es beileibe nicht sein. Und einen Mund hat es auch! Sollten sich da etwa Ohren am Kopf befinden, echte Ohren?«
» Haben wir auch!«, schrien die Kinder und zogen zum Beweis an ihren Ohren.
Die kleine Nia beschloss, jämmerlich zu weinen.
» Ich wollte ihn nicht erschrecken«, versicherte der Narr. » Ganz und
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