Die Drachenlanze (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
in der momentanen Situation wohlzufühlen. Immer wieder beteuerte sie ihre „Liebe“ und Zuneigung Cathyll gegenüber, der dies äußerst unangenehm war, da sie sich schuldig fühlte. Schließlich war sie es gewesen, die die gesamte nahe Verwandtschaft von Sybil fortgejagt hatte - und ihren Stiefvater in spe hatte sie sogar töten lassen.
Aber diese unschönen Gedanken wischte sie fort. Sie würde morgen wieder genug zu tun haben mit langweiligen Staat sgeschäften und Streitereien der Bürger von Mal Kallin. Das Herbstfest in den Palastgärten wollte sie auf jeden Fall genießen.
Während sie auf die Tanzenden sah, merkte sie, dass sie ihren Mann vermisste. Sie bemerkte dies mit einigem Erstaunen - sie hatte ihn erst vor zwei Monaten kennen gelernt, auf höchst ungewöhnl iche Weise. Und geheiratet hatte sie ihn eher aus politischer Notwendigkeit, als aus Liebe. Wie konnte man auch jemanden lieben, den man kaum kannte.
Ihrem Mann allerdings war es anders gegangen. Er hatte Cathyll vom ersten Moment an geliebt, so sagte er zumindest. Seine Truppen waren gerade dabei gewesen, ihr Land zu überfallen, als er sie gesehen und den Angriff gestoppt hatte. Aus der Notwendigkeit war Respekt entstanden und dann sogar noch mehr. Sie vermisste seine Berührung, aber vie lleicht lag das auch nur daran, dass sie irgendjemandes Berührung vermisste. Seit sie zur Königin von Ankilan aufgestiegen war, behandelte sie niemand mehr normal. Alle ihre ehemaligen Freunde und Bekannten behandelten sie distanziert und fast ehrfürchtig und nannten sie jetzt „Mylady“. Sie hatte viel Streit mit Ha’il Usur gehabt, ihrem Berater, der sie dazu nötigte, sich von allen mit ihrem Titel anreden zu lassen - auch von ehemaligen Freunden. Sie verstand auch die Notwendigkeit einer Sonderbehandlung als Königin. Nichtsdestotrotz vermisste sie die Nähe zu den Menschen, die sie besonders im Dreischafetal verspürt hatte. Sie vermisste Hjete und Nieda und Weila, die jetzt nördlich von Mal Kallin wohnten, zusammen mit An’luin, der Nieda geheiratet hatte. Auch seine Gegenwart war ihr immer angenehm gewesen. Und Ketills.
Aber seitdem sie sich von ihm abgewandt hatte, hatte er sich in ein gefährliches Abenteuer nach dem anderen gestürzt. Erst hatte er darauf bestanden die angreifenden Drakinger selbst mit seinem Runenschwert abzuwehren und nun war er auf einer unglaublich leichtsinnigen Fahrt in seine Heimat unterwegs.
„Lächeln, Ihr müsst lächeln, Mylady.“
Automatisch zog Cathyll die Mundwinkel hoch. Sie kannte das Kommando von Ha’il Usur schon und sie hatte sich abgewöhnt sich dagegen zu sträuben, das kostete sie beide nur unnötig Energie.
Sie müsse Selbstvertrauen ausstrahlen, hatte Ha’il Usur erklärt, denn nur so würden die Neider, die Missgünstigen, die religiösen Fanatiker, die Emporkömmlinge davon abgehalten, sich offensiv gegen sie zu wenden. „Ein Großteil der Regiererei verbringt man damit zu beweisen, dass man der Stärkste ist, oder äh, die Stärkste.“ Diesen Hinweis hatte ihr Berater ihr als obersten Grundsatz der Führung eines Königreichs erläutert. Sie wusste es, aber das machte es ihr nicht leichter.
In der T at war sie ganz zufrieden dort zu sitzen und dem fröhlichen Treiben zuzusehen. Hier hatte sie ihre Mägde und ihre geliebte Zofe Ma’an um sich herum und Bran, ihren Thard, der wie immer schweigsam hinter ihr stand. Keine entfernten Verwandten oder Adlige, mit denen sie zwanghaft konversieren musste. Und vor allem kein Pater Ersen, der ihr in den Ohren lag, sie solle zum Morgen- und Abendgebet kommen und sich ihre heidnischen Tätowierungen entfernen lassen.
Cathyll musste zugeben, dass sie nicht gewusst hatte, auf was sie sich einlassen würde, als sie z usammen mit An’luin zu den Scicth geritten war, um sie zu Verbündeten im Kampf gegen die Sath zu machen. In einem ekstatischen Ritual war ihr dann diese Tätowierung über den ganzen Körper gemacht worden. Die Schmerzen hatte sie im Rausch des Saftes, den man ihr eingeflößt hatte, nicht gespürt. Im selben Rausch hatte sie sich ihrem Freund An’luin hingegeben. Obwohl dies keiner wusste, schämte sie sich seitdem der Tätowierung, die sich bis zu ihrem Hals hochschlängelte und die eine stete Erinnerung an die Nacht mit An’luin darstellte. Dennoch weigerte sie sich, die blaue Farbe mittels eines erneut schmerzreichen Rituals seitens der Kirche der Sonne entfernen zu lassen. Sie war ein Teil von ihr und so bedeckte sie sie meist
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