Die Drachenlanze (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
Standarten von Edelleuten zu sehen, die sie abholen würden. Sie konnte nur das geschäftige Treiben der Hafenarbeiter beobachten. Die Männer, die um sie herum das Schiff bereit zum Anlegen machten, schienen sie hämisch anzusehen, als freuten sie sich, dass sie verloren auf den Hafen blickte. Sofort straffte sie ihren Rücken und legte ein selbstbewusstes Gesicht auf.
Der Hafen, in den sie einliefen, war deutlich größer als der von Fraghstran, von dem sie ausgelaufen waren. Sie sah riesige Handel sschiffe aus dem Süden, beladen mit duftenden Gewürzen und bunten Stoffen. Überall liefen Menschen herum, die entweder Ladung verstauten oder schnellen Fußes in die Stadt liefen, um sich den Vergnügungen zu widmen, die sie auf ihrer langen Seefahrt entbehren mussten. Der Kapitän des Schiffes hatte etwas abseits des Haupthafens angelegt und wie auf ein Zeichen hin kamen aus dem grauen Himmel, der sie den ganzen Tag begleitet hatte, die ersten Tropfen, sobald die Landungsbrücke über das Schiff gelegt worden war.
Außer ein paar Hafenarbeitern und ein paar Betrunkenen war niemand zu sehen. Cyril schaute he ktisch von links nach rechts. Erst da bemerkte sie den älteren Matrosen, der mit einer ihrer Truhen auf seinen Armen neben ihr stand und sie ansprach: „Ich bring Ihre Sachen nach unten M‘lady.“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, stakste er schon die Holzplanke ans Ufer hinab. Die anderen Matrosen waren mit allerlei anderen Dingen beschäftigt und würden ihr keine Hilfe sein. Cyril sah sich schon ihre Sachen an gierige Matrosen verkaufen, damit sie sich eine Fahrt zum Schloss Flairis leisten konnte. Dann kam ihr ein weiterer furchtbarer Gedanke: Würden die Menschen hier sie überhaupt verstehen? Die Aquinier sprachen eine eigene Sprache, die der der Sath und Ankil nur bedingt ähnelte. Auf einmal kam ihr das gehasste Schiff, auf dem sie sich befand nicht mehr so furchtbar vor, wie die ganze Fahrt über.
Aber sie wusste, dass sie sich zusammenreißen musste. Sie würde keine Schwäche zeigen. So ging sie den Steg hinab und wartete neben ihren Truhen, die von dem Matrosen noch weiter neben ihr abgestellt wurden. Als dieser die dritte Truhe neben ihr abgestellt hatte, stellte er sich mit einer geöffneten Hand vor sie. Entrüstet schaute Cyril den Mann an. Wie konnte er erwarten von ihr ein Trinkgeld zu bekommen? Sie war eine Adlige. Sie kramte in ihrer Rocktasche und suchte sich die kleinste Münze heraus, die sie hatte: einen Erl.
Der Mann schaute sie missmutig an und sagte: „Bisschn wenig, oder?“ Sie konnte die Unve rschämtheit dieses Mannes nicht mehr ertragen und drehte ihren Kopf zur Seite. Der Alte spuckte neben ihr aus und ging wortlos wieder an Bord.
Es war schon schlimm genug gewesen, dass Cathyll sie gezwungen hatte, ihre wichtigsten Sachen auf drei Koffer zu beschränken. So viele schöne Sachen hatte sie daheim lassen müssen. Sie hatte sich zunächst überlegt, ob sie einige Sachen verschenken sollte, konnte dann aber den Gedanken, dass andere Mädchen in ihren teuren Sachen herumlaufen würden, nicht ertragen und hatte die S achen im Kamin verbrannt, wobei sie bittere Tränen geweint hatte.
Cyril wartete noch zwei Stunden an der Mole. Immer wieder schaute sie in Richtung Hafen, dorthin wo die großen und imposanten Schiffe lagen. Als sie sich schon mit dem Gedanken abgefunden hatte, ihre Koffer stehenzulassen, um in der Stadt nach Hilfe zu suchen, sah sie in der Ferne einen Reiter auf sic h zukommen. Der Mann war offenbar ein Adliger, denn er trug einen langen blauen Umhang aus Samt und beim Näherkommen sah sie, dass er fein gekleidet war und ein Wappen am Geschirr seines Pferdes hatte, das sie kannte: zwei Pfeile, die einen Silberhering kreuzten. Er blieb zwei Schritte vor ihr stehen, schwang sich von seinem Schimmel herunter und kniete vor ihr nieder. Dann blickte er auf und sagte mit ausländischem Akzent: „Ihr müsst Cyril Lloires sein. Bitte entschuldigt meine Verspätung, wir haben mit Eurer Ankunft erst am nächsten Tag gerechnet. Eure Kutsche wird bald hier sein.“
In Cyrils Kopf mischten sich Erleichterung und Verwirrung. „Was ist eine Kutsche?“ Der Mann lächelte sie an.
3. Herbstfest
ie klatschte zum Takt der Dudeln und Tröten, Lyren und Leiern in die Hände. Die Musikanten spielten einen schnellen Tanz und sie beobachtete wie Sybil mit einem jungen Mann Reigen tanzte. Ihre junge Cousine schien sich, obwohl ihre Mutter und Schwester vom Hofe verbannt worden waren,
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