Die Drachenperle (German Edition)
leidenschaftlich wie ihr kunstvoller Tanz um das Feuer, den sie unzählige Male für ein zahlendes Publikum aufgeführt hatte. Doch jetzt galt ihre Schönheit, jede anmutige Bewegung ihres Körpers, nur ihm allein.
Während er mit den Wolken flog, schmiedete er Pläne, Kiri zur Frau zu nehmen und ihr ein Leben in Wohlstand und Sicherheit zu bieten. Doch dafür müsste er einen Weg finden, auf eigenen Beinen zu stehen. Solange Mareika lebte, wäre es eine Zumutung für Kiri, mit ihr unter einem Dach zu leben. Und Taiki wollte nicht abwarten, bis die Alte endlich das Zeitliche segnete. Wie sehr seine Urgroßmutter das einfache Volk verachtete, war ihm erst wirklich klar geworden, als er erfuhr, dass sie seit vielen Jahren nur noch die Reichen und Mächtigen mit ihrer Heilkunst bedacht hatte und sich dies im Gegenzug reichlich entlohnen ließ. Früher war sie anders gewesen, gab sie zu. Aber das sei jugendliche Narretei gewesen. Und er solle sich diese Schwärmerei für die Armen und Schwachen lieber aus dem Kopf schlagen, denn er sei der Erbe der großen Mareika!
Diese Erinnerung ließ Taikis Geist wieder auf die Erde zurückfallen, so sehr widerte ihn die Alte inzwischen an. Allein die Vorstellung, dass sie anderen ihren Willen aufzwingen konnte und dies vermutlich auch schon mehr als einmal getan hatte! Schlimmer noch, sie erwartete von ihm, dass er sich darin von ihr unterrichten ließ! Wenn er sich ihrem Willen auslieferte, so wäre er doch nur von einer Sklaverei in die nächste geraten. Ein zu hoher Preis für Wohlstand und Ansehen, auch wenn es noch so angenehm war, in einem Haus mit Dienern zu leben und keine materiellen Sorgen zu haben. Nein, diesen Preis wollte er nicht zahlen. Gleichwohl wäre es schön, eine vollständige Ausbildung zum Geistheiler zu bekommen. Und er würde auch gern die Arbeit der Messerheiler näher kennenlernen. Taiki war hin und hergerissen, zwischen dem Wunsch , mit Kiri und den Gauklern durchzubrennen und dem Wunsch, noch viel mehr zu lernen. Sein Lesen, Schreiben und Rechnen zu verbessern wäre der erste Schritt. Er hatte große Freude an der Vorstellung, anderen Wesen, sei es Mensch oder Tier, zu helfen, Leid zu lindern, Heilung zu bringen. Und er wollt e einen gr oßen Heilkräutergarten anlegen!
Jolim störte seine Gedankengänge in der selbstgewählten Isolation. Er kam ihm winkend und rufend entgegen: „Kommt ins Haus zurück, mein Herr. Ein Bote ist gekommen.“
Kapitel 5: Die Makelprüfung
Mareika und Lydia drängelten Taiki, das Siegel der Schriftrolle sofort zu brechen und den Inhalt zu verlesen.
„Es ist eine Vorladung“ sagte er staunend. „Athaja, die Führerin der Messerheilergilde, verlangt eine Makelsuche und der Stadtrat, vertreten von Ulf und Rodovan, schließt sich dem Gesuch an. Der Tag wurde auf morgen festgesetzt. Was bedeutet das für mich? Was ist eine Makelsuche?“
„Eine schwere Beleidung meiner Person , “ brachte Mareika zähneknirschend hervor.
„Ach nun lass doch mal deine Person aus dem Spiel, Mutter! Es ist ja nicht auszuhalten mit dir und deiner Arroganz. Es geht um Taikis Zukunft, nicht um dich. Nimm dich doch einmal zurück. Deine große Zeit ist vorbei, es ist jetzt die Zeit der Jungen.“
Lydia zog Taiki am Ärmel mit sich in ihre Werkstatt und ließ ihre verblüffte Mutter einfach stehen.
„Komm, setz dich zu mir. Ich erkläre es dir. Auch wenn ich nicht die Fähigkeiten der Lilienblutlinie besitze, so weiß ich doch gut über unsere Geschichte, unsere Gesetze und Brauchtümer Bescheid. Eine Makelsuche war vor langer, langer Zeit noch fester Bestandteil des Meisterschülerrituales. Schließlich ist das Amt des Obersten Tempellehrers ein sehr einflussreiches. Dem Inhaber wird viel abverlangt: körperlich, geistig und auch charakterlich. Es darf keinen Zweifel an seiner oder ihrer Befähigung geben, nicht den kleinsten. Normalerweise ist der Anwärter den Gilden und der Stadt von klein auf vertraut, denn alle Heiler haben hier in den Bergen ihre Familiensitze. Darum wird in stiller Übereinkunft seit Jahrzehnten auf die Makelsuche verzichtet. Du aber bist allein, ohne formenden Einfluss deiner Familie, fernab groß geworden. Unter einem barbarischen Volk. Als Sklave. Du hast also keine nennenswerte Erziehung genossen, hast keine angemessene schulische Ausbildung, so wie jedes Gildenkind sie erhält. Im Grunde bist du ein Fremder. Niemand weiß wirklich, was dir alles widerfahren ist, ob die Sklaverei deiner
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