Die Drachenperle (German Edition)
erfüllen. Der Schneider musste bestellt werden. Taiki brauchte für die feierliche Einsetzung als Meisterschüler in 28 Tagen neue Kleidung. Mareika hatte ihn auch mit einer Botschaft zum Notar geschickt.
I ngay hatte den Tisch bereits gedeckt und ein leichtes Mittagessen vorbereitet: frisches Fladenbrot, das für die Bekömmlichkeit mit etwas Anis, Fenchel und Kardamom gewürzt war, Schafskäse, Obst aus dem Tal und geräucherte Bachforelle , dazu frisches Quellwasser für Taiki und Weißwein für die Herrinnen des Hauses .
Kiri hatte lange geschlafen in diesem Traum von einem Federbett. Am liebsten würde sie den ganzen, langen, lieben Tag darin verbleiben, sich tief einkuscheln und sich in ein besseres Leben hineinträumen. Vorzugsweise in ein Leben mit diesem netten, schwarzhaarigen Einfaltspinsel, der so schön singen konnte. Er war offensichtlich reich und hätte Verständnis für ihre Liebe zu Musik und Tanz. Er wäre doch der ideale Ehemann für sie! Als Kiri die Kutsche und die Stimmen hörte, schwang sie sich gut erholt aus ihrem Federparadies und zog sich schnell an. Sie nahm noch einen Happen vom Frühstück, das Ingay ihr eine Stunde nach Sonnenaufgang serviert hatte. Am Bett serviert! Man höre und staune, dass ihr, der Gauklerin, so viel Ehre zuteil w urde. Das musste sie Bartholo unbedingt erzählen. Hm… musste sie? Am liebsten würde sie gar nicht zurückkehren. Ein Hustenanfall beendete ihre Gedankengänge.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen fand sich die Gauklerin mit gemischten Gefühlen zwischen Taiki und der Alten auf einer Art gepolstertem Tisch liegend wieder. Die Beiden hatten irgendeinen Heilerhokuspokus mit ihr vor. Mareika und Taiki hielten sich an den Händen und schlossen so einen Kreis über Kiri. Lydia war an ihren Webstuhl zurückgekehrt. Mareika war für sich im Stillen der Meinung, wenn sie schon eine vom Fahrenden Volk in ihrem Haus erdulden musste, dann sollte diese Frau sich wenigstens als nützlich erweisen. Deren schwerer Husten kam ihr zupass. Jetzt konnte sie Taiki am lebenden Objekt üben lassen. Sie wollte ihm die Grundlagen der Heilarbeit unbedingt selber nahebringen und es nicht allein dem Obersten Tempellehrer überlassen. Schließlich hatte sie sich einige Tricks und Kniffe im Lauf ihres überaus langen Lebens angeeignet, mit denen ihr Enkel und Erbe die anderen Heiler leicht in den Schatten stellen konnte.
„Öffne deinen Geist für mich, Junge. Ich werde dich führen. Und du, Mädchen, du hältst deinen Mund , solange wir an dir arbeiten, verstanden? Lieg schön still. Dir wird es danach bald wieder gut gehen. Taiki, wir beginnen jetzt!“
Die Heilerin nahm diesmal behutsam mit Taikis Geist Verbindung auf. Sie war auf der Hut vor dem Drachen, der in ihm wohnte und über ihn wachte. Als sie spürte, dass Taikis Bewusstsein mit ihrem eigenen verbunden war, führte sie seine Wahrnehmung in Kiris Körper. Nach einer Weile fühlte er auch am eigenen Körper, aber mit einer Art beobachtenden Distanz, was Kiri fühlte. Er war fasziniert. Das Gewebe ihrer Atemwege war voller Hitze und es w ar angeschwollen, verschleimt, stark gerötet. Taiki empfing bald darauf nicht nur die physische Wahrnehmung, die ihm durchaus unangenehm war, sondern auch klare Bilder. Er konnte mit seinem Geist in die Welt der unzähligen, fantastischen kleinen Bauteile hinein gleiten, aus denen Kiris Körper zusammengesetzt war. Taiki spürte wie das Leben als reine Energie in ihnen pulsierte und förmlich strahlte, aber auch, dass es in seiner Intensität hier etwas gedämpft war, eben durch die Erkrankung. Er bemerkte, dass ein Ungleichgewicht vorlag in der unglaublichen Welt der menschlichen Mitbewohner. Mit großem Staunen wurde er gewahr, dass noch andere Wesen, winzigste Wesen, im menschlichen Körper hausten, nicht nur hier in der Lunge. Und diese speziellen, die er im Gewebe des Atemtraktes antraf, waren in ihrem massenhaften Auftreten schädlich für Kiri. Er sandte einen fragenden Impuls aus, was er nun tun solle? Mareika zeigte es ihm. Sie fokussierte seine Wahrnehmung auf die kampfbereiten weißen Inhalte des Blutes, die unermüdlich auf die Krankheitsmacher einwirkten und diese einfangen, unschädlich machen und auflösen wollten. Mareika ließ aus ihrer eigenen Kraft ein wenig einfließen und Taiki machte es ihr instinktiv nach. Dann begann er absichtlich die Bilder, die er empfing, mit seiner ausgeprägten Vorstellungskraft zu verändern. Er stellte sich heiles Gewebe vor. Nicht
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