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Die Drachenperle (German Edition)

Die Drachenperle (German Edition)

Titel: Die Drachenperle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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Seelengesundheit geschadet hat oder ob du nicht vielleicht in deiner Vergangenheit ein Verbrechen begangen hast! Alles wird in der Makelprüfung ans Licht geholt, was nicht rein und eines wahren Geistheilers würdig ist. Du fragst dich sicher, wie? Nun, die Gilde hat ihre Methoden und Möglichkeiten. Du wirst es erleben, wenn du dich ihr unterwirfst. Aber was sollen sie schon bei dir finden? Du bist ein durch und durch guter Junge.“
    „Was geschieht, wenn sie etwas finden, dass sie einen Makel nennen? Oder ich mich nicht der Prüfung unterziehe?“
    „Dann wirst du von der Gilde verstoßen.“ Mareika, die ihnen langsam gefolgt war, stand mit finsterem Gesicht in der Tür. „Und von mir enterbt.“
    Taiki wurde blass.
     
    Die Sonne war auf ihrer Bahn ein gutes Stück weitergewandert. Taiki saß allein abwartend in einem kleinen Raum in der Tempelschule. Durch ein kleines Fenster oben in der grauen Steinwand konnte er ein Stückchen vom Himmel sehen. Der Raum war außer einem Hocker leer und eher dunkel. Am Morgen hatten zwei schweigsame Tempeldiener ihn von zuhause abgeholt und hierhergebracht. Seitdem ließ man ihn warten. Ohne ein Wort der Erklärung. Es war ein heißer Tag und Taiki hatte Durst. Mit der Zunge fuhr er nervös über seine trockenen Lippen, stand auf, ging die wenigen Meter, die ihm möglich waren zu gehen, auf und ab. Setzte sich wieder. Schaute nach dem Stand der Sonne. Stand wieder auf, ging umher. Und wieder von vorn. Endlich, als er die Geduld längst verloren hatte und kurz davor war, mit den Fäusten gegen die Tür zu hämmern, kamen sie.
    Nacheinander betraten sie still und ernst den Raum, der nun im Dämmerlicht lag. Es waren drei Mönche. Taiki hatte dergleichen Aufmachung noch nie gesehen und hätte auch nicht gewusst, was Mönche sind. Aber er spürte mit seiner Sensibilität, dass diese Männer sich sehr von anderen Menschen unterschieden. Gewiss nicht nur durch ihr Äußeres. Alle waren kahlgeschoren und in lange, graue Wollkutten gekleidet. Sie trugen Sandalen, keine Stiefel. Schweigend umkreisten sie ihn eine Weile lang. Dann nickten die beiden jüngeren dem Älteren zu und zogen sich jeder in eine Ecke zurück, setzten sich mit untergeschlagenen Beinen auf den Steinfußboden und nahmen eine Meditationshaltung ein.
    Taiki wollte dem Älteren höflich den Hocker anbieten, aber dieser bedeutete ihm, sitzen zu bleiben und hob an zu sprechen:
    „Bitte öffne uns deinen Geist. Wir werden behutsam und respektvoll sein. Erzähl aus deinem Leben. Alles, was dich prägte. Alles, was dir etwas bedeutet. Vor allem alles, was mit deinen Geistheilerfähigkeiten zusammenhängt. Seit wann wendest du sie an? Seit wann bist du dir bewusst, ein geborener Heiler zu sein? Wir alle hier im Raum werden dabei eines Geistes sein . Lügst du uns an, so merken wir das. Beim Erzählen wird dein Bewusstsein innere Bilder erschaffen. Wir werden sehen, was du gesehen hast. Wir werden hören, was gesprochen wurde. Wir werden denken, was du gedacht hast. Du kannst vor uns nichts verbergen. Wir sind die Seher aus den Bergen. Wir sind die Wahrheitsfinder. Wir stehen weder auf deiner, noch auf der Seite derer, die uns hierhergerufen haben, um dich zu prüfen. Wir stehen im Licht der Wahrheit. Wenn unsere Dienste gebraucht werden, so kommen wir. Wenn wir gedient haben, so gehen wir. Was du uns jetzt erzählst, wird von uns mit ins Grab genommen werden. Niemand wird je davon erfahren. Wir werden der Gilde nur mitteilen, ob wir einen Makel ihrer Definition nach gefunden haben – oder nicht.“
    Taiki blieb keine Wahl. Eine Weigerung wäre gleichbedeutend mit einem Schuldeingeständnis. Und so begann er von Mali, Nona und Arik zu erzählen, von seinen Freunden Mirkat und Darihd. Wie sie alle schwer arbeit eten . Wie sie oft hungern und frieren mussten und misshandelt wurden. Aber auch davon, wie sie gemeinsam gelacht haben, zu ihren Göttern gebetet haben. Taiki sprach von seiner Freude an der Arbeit mit den Tieren und auf dem Feld. Dass er kein Fleisch essen konnte. Wie er den Alten seine Hände auflegte, um ihre Schmerzen zu lindern, wie er gesungen hatte, um Arik zu trösten.
    Dann zögerte Taiki, denn er ahnte, was die Heilergilde als Makel betrachten würde. Doch er konnte vor der geballten Macht dieser Seher nichts verbergen, und so sah er nun in seiner Erinnerung, wie er sich an Martoks Bein klammerte, vor Wut förmlich brannte. Er hörte sich hasserfüllt schreien: „Ich verfluche dich, hörst du?

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