Die Drachenreiter von Pern 01 - Die Welt der Drachen
Laut jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie presste beide Hände gegen die Ohren, aber das Wimmern ließ sich nicht verdrängen. Und dann verstummte es, ebenso abrupt wie es begonnen hatte. Bevor sie sich gefasst hatte, zerrte der Drachenreiter sie an der Hand zur Truhe hin.
»Ziehen Sie das da aus!« befahl er und deutete auf ihr Kleid. Während sie ihn entgeistert anstarrte, holte er ein ärmelloses weißes Gewand aus der Truhe. Es war bodenlang und völlig schmucklos.
»Rasch! Oder wollen Sie etwa, dass ich Ihnen helfe?«
Das grauenhafte Klagen wiederholte sich und trieb sie zur Eile an. Mit fliegenden Fingern streifte sie das Kleid ab. Der Drachenreiter warf ihr die weiße Robe über die Schultern. Sie schob die Arme durch die Öffnungen, und im nächsten Moment hatte er sie wieder am Handgelenk gepackt und zog sie mit sich. Ihr Haar sprühte vor Elektrizität.
Als sie die äußere Felsenkammer erreichten, stand der Bronzedrache aufgerichtet da und starrte ihnen entgegen. Lessa spürte seine Ungeduld. Die großen Augen, die sie so faszinierten, schillerten in allen Regenbogenfarben. Er war erregt. Bei ihrem Anblick begann er mit hoher Stimme zu winseln.
Drache und Drachenreiter schienen miteinander zu beraten. Und plötzlich erkannte Lessa, dass es um sie ging. Der Kopf des Drachen war mit einem Male dicht vor ihr, so dass sie nichts außer seiner spitzen Schnauze sah. Sie spürte seinen warmen, phosphorhaltigen Atem. Sie fing seine Gedanken auf, als er dem Drachenreiter mitteilte, dass diese Frau von Ruatha ihm immer besser gefiel.
Und dann zerrte der Drachenreiter sie wieder vorwärts, und der Drache rannte mit langen Sprüngen neben ihnen her. Lessa befürchtete schon, dass sie alle im Abgrund landen wurden, aber irgendwie saß sie plötzlich auf dem Nacken des fliegenden Ungetüms, und der Bronzereiter umklammerte mit starker Hand ihre Taille.
Sie glitten nun durch die breite Senke auf die gegenüberliegende Felswand zu. Von allen Seiten strömten die mächtigen Drachen herbei, und ihr laut peitschender Flügelschlag ließ das ganze Tal erzittern.
Mnementh flog schnurgerade auf einen dunklen, runden Höhleneingang hoch im Fels zu. Lessa erschien es wie ein Wunder, dass sie nicht mit anderen Drachen zusammenstießen. Und dann hatten sie die Öffnung erreicht. Dumpfe Laute hallten durch den Korridor. Die Luft war drückend.
Lessa sah sich ungläubig um. Sie befanden sich in einer gigantischen Höhle Der ganze Berg musste hohl sein! Auf breiten Vorsprüngen kauerten die Drachen, blau, grün und braun. Zu ihrer Verwunderung entdeckte sie nur zwei Bronzedrachen außer Mnementh. Lessa umkrampfte erregt den schuppigen Kamm des Drachen. Sie spürte instinktiv, dass hier etwas Besonderes vorging.
Mnementh ließ sich auf keinem der Vorsprünge nieder, sondern schwebte in die Tiefe. Und dann starrte Lessa nur noch den Sandboden der Höhle an.
Sie sah die Dracheneier - zehn unförmige, gesprenkelte Eier, deren Schalen bereits gesprungen waren. Etwas abseits, auf einer Bodenerhebung, lag das goldene Ei der Königin. Es war größer als alle anderen. Und neben dem goldenen Ei erkannte sie die reglose Gestalt der alten Königin.
Mnementh hielt an, und Lessa spürte, wie der Drachenreiter ihre Taille umfasste und sie absetzte.
Ängstlich klammerte sie sich an ihm fest. Er schob sie unerbittlich von sich. Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke, »Denken Sie an meine Worte, Lessa!«
Mnementh richtete eines seiner großen Facettenaugen auf sie und sandte ihr einen tröstenden Gedanken. Dann erhob er sich und flog zum untersten Felsvorsprung, wo er ein Stück entfernt von den beiden anderen Bronzedrachen landete. Lessa sah ihm hilflos nach. Der Reiter stieg ab, und das Tier streckte den biegsamen Hals, bis sein Kopf dicht neben dem Mann war.
Lautes Schluchzen und Schreien lenkte Lessas Aufmerksamkeit ab. Noch mehr Drachen waren gelandet und hatten weiß gekleidete Mädchen abgesetzt. Insgesamt zählte sie zwölf. Sie drängten sich aneinander und wimmerten vor Angst. Lessa beobachtete sie neugierig. Weshalb weinten sie? Sie schienen keine Schmerzen zu haben. Verächtlich schüttelte sie den Kopf. Eine Ruatha würde ihre Furcht niemals in dieser Weise zeigen!
In diesem Augenblick begann das goldene Ei zu schaukeln. Mit Gezeter zogen sich die Mädchen bis an die Felswand zurück. Eine von ihnen, ein schönes Geschöpf mit schweren blonden Flechten, blieb neben der Bodenerhöhung stehen. Doch dann stieß
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