Die Drachenreiter von Pern 01 - Die Welt der Drachen
bekommst gleich etwas zu fressen«, versicherte Lessa.
Sie konnte nicht begreifen, was geschehen war.
Mit einemmal gehörten all ihre Gefühle diesem Drachenkind. Ramoth sah Lessa in die Augen und wiederholte, wie hungrig sie sei. Schließlich habe sie eine Ewigkeit in diesem finsteren Gefängnis zubringen müssen.
Lessa fragte sich, woher sie den Namen der Drachenkönigin wusste. Ramoth erwiderte, das sei völlig natürlich, und dann befand sich Lessa wieder im Bann der schillernden großen Augen. Ohne auf die Bronzedrachen zu achten, die ihre Felsen verlassen hatten, ohne ihren Reitern auch nur einen Blick gönnen, streichelte Lessa den Kopf des schönsten Geschöpfes von Pern.
Sie spürte schwach, dass die Zukunft auch Leid bringen wurde, aber im Augenblick achtete sie nicht darauf.
Sie, Lessa von Pern, durfte für immer die goldene Drachenkönigin Ramoth betreuen.
Teil II
Meere brodeln, Berge schwinden, Wüsten kochen, Drachen künden: Es kommt der Rote Stern! Feuer lodern, Spalten klaffen, Grün verdorrt - greift zu den Waffen: Verteidigt Pern! Sternstein halte Wacht, Drachenreiter - habt acht, Es kommt der Rote Stern!
»Warum hat eine Königin Flügel, wenn sie nicht fliegen soll?« fragte Lessa.
Sie gab sich alle Mühe, einen ruhigen Tonfall beizubehalten Sie hatte lernen müssen, ihr aufbrausendes Temperament zu zügeln, auch wenn es ihr schwer fiel, denn im Gegensatz zu den normalen Bewohnern von Pern waren die Drachenreiter in der Lage starke Gefühlsausstrahlungen aufzufangen.
R'guls buschige Augenbrauen zogen sich zusammen, und seine Lippen bildeten einen dünnen Strich.
Lessa kannte seine Antwort, bevor er sie in Worte kleidete.
»Königinnen fliegen nicht«, sagte er knapp.
»Außer zur Paarungszeit«, warf S'lel ein.
Er hatte vor sich hingedöst. Das kam bei ihm nicht selten vor, obwohl er jünger war als der energische R'gul. Jetzt werden sie wieder streiten, dachte Lessa und stöhnte innerlich.
Eine halbe Stunde ertrug sie das, dann wurde ihr übel.
Die beiden teilten sich in die Aufgabe, die neue Weyrherrin in ihre Pflichten einzuweihen. Aber oft genug artete die Unterweisung in hitzige Wortgefechte aus, wenn sie sich über lächerliche Kleinigkeiten nicht einigen konnten. Manchmal, so wie jetzt, gaben sie ihr dabei unfreiwillig ein paar Informationen.
»Königinnen fliegen nur zur Paarungszeit.«
R'gul hatte den Widerspruch hingenommen.
»Aber wenn sie zur Paarungszeit fliegen, können sie doch auch bei anderen Gelegenheiten fliegen«, fuhr Lessa hartnäckig fort.
»Königinnen fliegen nicht.«
R'guls Gesichtsausdruck verriet Sturheit.
»Jora hat nie einen Drachen geflogen«, murmelte S'lel und verlor sich einen Moment lang in Gedanken an die Vergangenheit. Er sah ein wenig bekümmert drein.
»Jora hat diese Räume nie verlassen.«
»Sie brachte Nemorth zum Futterplatz«, widersprach R'gul unwirsch.
Zorn stieg in Lessa hoch. Sie schluckte. Es war höchste Zeit, dass sie die beiden zum Gehen veranlasste. Ob sie merkten, dass Ramoth manchmal nur allzu passend aufwachte? Vielleicht sollte sie heute R'guls Hath wecken. Sie verbarg ein Lächeln. Niemand im Weyr wusste, dass sie sich mit den Drachen unterhalten konnte, und das versöhnte sie wieder ein wenig.
»Wenn Nemorth nicht zu träge war, sich zu bewegen.«
S'lel nagte beleidigt an seiner Unterlippe. R'gul brachte ihn mit einem wütenden Blick zum Schweigen und deutete auf Lessas Schreibtafel.
Sie unterdrückte einen Seufzer und nahm den Stift in die Hand. Sie hatte diese Ballade nun schon neunmal fehlerfrei abgeschrieben. Aber zehn war offensichtlich R'guls magische Zahl. Denn bisher hatte sie jede der alten Lehrballaden, die Untergangs-Sagas und die Gesetze zehnmal geschrieben, Buchstabe für Buchstabe. Gewiss, sie verstand nicht die Hälfte davon, aber sie konnte sie auswendig.
»Meere brodeln, Berge wanken«, schrieb sie.
Möglich. Wenn eine größere Erdverschiebung stattfand. Einer der Wachtposten von Ruatha hatte einmal eine Geschichte erzählt, die er von seinem Urgroßvater wusste. In der Nähe der Ostfestung war ein ganzes Küstendorf im Meer versunken. In jenem Jahr hatte es gewaltige Springfluten gegeben, und jenseits von Ista war ein Feuer speiender Berg aus dem Wasser getaucht. Jahre später verschwand er wieder. Vielleicht bezog sich die Zeile darauf.
Vielleicht.
»Wüsten kochen…« Gewiss, es hieß, dass im Sommer die Igen-Wüste unerträglich war. Kein Schatten, keine Bäume, keine Höhlen, nichts
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