Die Drachenreiter von Pern 04 - Drachensinger
autsch!«
»Habe ich dir weh getan? Die Haut ist sehr empfindlich – und wird es wohl noch eine Weile bleiben.«
Er begann eine scharfriechende Salbe aufzustreichen, und sie konnte ihren Fuß nicht stillhalten. Der Heiler packte sie fest am Knöchel und entgegnete auf ihre verlegene Entschuldigung, das Muskelzucken bedeute nur, daß die Nerven keinen Schaden erlitten hätten.
»Im Moment solltest du die Sohlen so wenig wie möglich belasten. Ich werde auch Silvina Bescheid sagen. Und massiere die Salbe hier ein, morgens und abends. Das beschleunigt die Heilung und mindert den Juckreiz.« Er schob ihr die Pantoffeln hin. »Und nun werfen wir noch einen Blick auf deine Hand!«
Sie zögerte, weil sie befürchtete, daß er wie Manora und Silvina von Pfuscherei sprechen würde. Und sie empfand eine merkwürdige Loyalität ihrer Mutter gegenüber.
Oldive musterte sie aufmerksam, und sie hatte das Gefühl, daß er den Grund ihres Zögerns erriet. Es war, als übte sein ruhiger Blick einen Zwang auf sie aus, und so streckte sie ihm die Hand entgegen. Zu ihrem Erstaunen las sie in seiner Miene weder Mißbilligung noch Mitleid, sondern einzig und allein Interesse an dem medizinischen Problem des dicken Narbenwulstes. Er stach mit dem Finger in das Gewebe und räusperte sich nachdenklich.
»Mach eine Faust!«
Das schaffte sie gerade noch, aber als er sie bat, die Finger auszustrecken, zerrte die Narbe einfach zu stark.
»Nicht so schlimm, wie ich anfangs befürchtete. Eine Infektion, nehme ich an …«
»Stachelschwanz-Schleim …«
»Hmm, ja. Heimtückisches Zeug.« Er drehte ihre Handfläche nach oben. »Aber die Narbe ist noch nicht lang verheilt, und das Gewebe läßt sich bestimmt ein wenig strecken. Ein paar Monate später, und alles wäre verhärtet gewesen. Du mußt jetzt erst mal Fingerübungen machen – einen harten kleinen Ball umfassen und wieder loslassen.«
Er zeigte ihr, was er meinte, und sie stieß unwillkürlich einen Schrei aus, als er ihre Finger zusammenpreßte.
»Wenn du dich zwingst, bis an die Schmerzgrenze zu gehen, dann machst du es richtig. Wir müssen die Haut zwischen den Fingern und die versteiften Sehnen wieder geschmeidig bekommen. Ich besorge dir obendrein eine Salbe, die das Narbengewebe weicher und lockerer werden läßt. Je mehr du übst, desto rascher geht es voran. An der Motivation wird es dir ja nicht fehlen.«
Ehe Menolly einen Dank stammeln konnte, hatte der erstaunliche Mann das Zimmer verlassen und die Tür hinter sich geschlossen. Prinzessin tschilpte halb fragend, halb bewundernd hinter ihm drein. Sie war von Menollys Schulter heruntergeflattert und hatte die Behandlung von einer Kuhle in der Bettdecke aus beobachtet. Nun kam sie zu Menolly und schmiegte das Köpfchen in ihren Arm.
Aus dem Saal der Lehrlinge scholl ein vielstimmiger Chor herüber, kraftvoll und laut. Prinzessin hielt den Kopf schräg und summte entzückt mit. Als Menolly sie zum Schweigen mahnte, schaute sie wehmütig auf.
»Ich glaube nicht, daß wir mitsingen dürfen, aber das klingt wunderbar, findest du nicht auch?«
Sie saß da, lauschte der Musik und streichelte Prinzessin. Nur geübte und hochbegabte Sänger verfügten über eine solche Harmonie.
»Hörst du?« meinte Silvina, als sie mit raschen Schritten das Zimmer betrat. »Du scheinst den Ehrgeiz dieser Faulpelze geweckt zu haben. Es ist schön, wenn dieses alte Lied mal mit Schwung gesungen wird.«
Menolly fand keine Zeit, sich über Silvinas Rede zu wundern, denn die Wirtschafterin deutete auf ihr Bündel, das auf dem Tisch lag, und zupfte die Schlafdecke glatt.
»Ich bringe dich jetzt in Duncas Pension unter«, fuhr Silvina fort. »Zum Glück steht eines der äußeren Zimmer leer …« Die Wirtschafterin rümpfte verächtlich die Nase. »Diese Mädchen von den Burgen haben eine heillose Angst von Fenstern, die ins Freie führen. Dir macht das sicher nichts aus.«
Sie lächelte Menolly zu. »Oldive sagte mir, daß du deine Füße noch schonen sollst, aber den einen oder anderen Weg kann ich dir leider nicht ersparen. Nun, von der Hausarbeit bist du im Moment freigestellt – noch ein guter Grund, dich bei Dunca einzuquartieren …« Silvina runzelte die Stirn und warf einen Blick auf Menollys winziges Bündel. »Ist das alles, was du mitgebracht hast?«
»Ja – außer neun Feuerechsen.«
Silvina lachte. »Allerdings – ein reicher Schatz.« Sie trat ans Fenster und warf einen Blick zur anderen Seite des Hofes, wo sich die
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