Die Drachenschwestern
Erkundungsgängen rund um
den Hof begleitet und in der Nacht in ihrem Bett geschlafen. Leider hatte er
einen Kampf mit einem streunenden Hund, den er partout nicht in der alten
Scheune dulden wollte, nicht überlebt. Kaja war damals untröstlich gewesen.
Lange wollte sie nichts von einer neuen Katze wissen, bis sie in ihren
Sommerferien eines Tages über ein kleines, weißes, verwaistes Fellbündel
gestolpert war. Zusammen mit Mémé hatte sie das Kätzchen aufgepäppelt. Ria
hatte sich allerdings sehr Mémé angeschlossen und war unbestreitbar ihre Katze.
Da konnte man nichts machen. Katzen suchen sich ihre Menschen halt selber aus,
dachte Kaja. Ist vielleicht auch besser so, ich war in den letzten paar Jahren
ja so selten hier.
„Was für einen Tee möchtest du?“, tönte die Stimme ihrer Großmutter
aus einem Schrank über der Spüle.
„Vielleicht einen Orangenblütentee, der sollte meine Gedanken ein
wenig beruhigen“, antwortete Kaja ohne nachzudenken.
Erfreut drehte sich Mémé um und meinte: „Du hast ja doch einiges
behalten, was ich dir über Kräuter beigebracht habe.“
Gespielt verzweifelt sagte Kaja: „Ich kann nichts dafür, mein
Gedächtnis speichert einfach alles, was ich höre“, und kicherte dann los.
So war sie wenigstens mit minimalem Aufwand durch die Schule und schließlich
durchs Studium gekommen. Beim Gedanken an das Studium folgte sogleich die
Erinnerung an ihren Job hinterher und die damit verbundenen Probleme. Sofort
verdüsterte sich ihre Stimmung wieder. Rastlos fing sie an, mit den Fingern auf
den Tisch zu trommeln, gleichzeitig verabschiedete sich der CD-Player mit einem
Knistern und gab den Geist auf. Mémé, die eben das heiße Wasser über die
Kräuter gegossen hatte und nun den dampfenden Krug zum Ziehen auf den Tisch
stellte, schaute auf und blickte von Kaja, die mit finsterer Miene dasaß, zu
dem elektronischen Gerät und wieder zurück.
„Was ist los
Kindchen – auf wen bist du so wütend?“, wollte sie von ihrer Enkeltochter
wissen.
„Auf niemanden, wie kommst du darauf?“, antwortete Kaja ausweichend,
„danke fürs Tee kochen!“
„Lenk nicht ab, junge Dame, bleib beim Thema und bleib sitzen“, sagte
Mémé, als Kaja Anstalten machte, aufzustehen, um die Teetassen zu holen. „Wenn
ich mir deinen Gesichtsausdruck so anschaue und gleichzeitig noch mit ansehen
muss, wie mein neuer CD-Player stirbt, musst du mir nicht weiß machen wollen,
nichts sei los.“ Sie drehte sich um, um aus dem Schrank zwei Tassen zu holen.
Kaja versuchte, ihre Miene zu glätten und ein unschuldiges Gesicht zu
machen. Was kläglich misslang. Also verbarg sie ihr Gesicht in ihren Händen und
atmete tief durch: „Ja, Mémé, du hast ja recht. Nichts ist in Ordnung. Ich
erzähle dir auch alles. Nur, wenn es dir recht ist, nicht gleich. Jetzt möchte
ich einfach nur deine Gesellschaft und deinen Kuchen genießen, wenn das geht.“
Bestürzt über den verzweifelten Ton in Kajas Stimme ging Mémé zu ihr
und strich ihr übers Haar. „Ja, klar, ruh dich erst einmal aus. Hier, nimm ein
Stück Mohnkuchen. Du kannst mir alles morgen erzählen.“ „Das lässt mich ja hoffen,
dass du mir ein paar Tage erhalten bleiben wirst“, neckte sie schließlich.
Dankbar nahm Kaja das angebotene Stück Kuchen an und biss herzhaft
hinein. Dabei fiel ihr ein, dass sie seit heute Morgen nur von Müsliriegeln
gelebt hatte. Kein Wunder, dass ihr schon der Magen knurrte. Endlich fiel ein
wenig von der Anspannung von ihr ab. Der heiße Tee entfaltete seine beruhigende
Wirkung und sie lehnte sich im Stuhl zurück, um ihre langen Beine neben dem
Tisch ausstrecken zu können.
Mémé durchbrach das Schweigen: „Du hast vorhin Tim erwähnt. Hast du
ihn bereits getroffen? Und was war mit deinem Auto los, dass sich Luc darum
kümmern muss?“
„Ach ja“, seufzte Kaja, „mein Auto. Ja, wenn ich das wüsste. Es ist
einfach stehen geblieben. Zum Glück nicht weit von hier, gleich vor der letzten
großen Kurve auf der Landstraße wenn du vom Osten her kommst. Da ist
zufälligerweise Tim vorbei gefahren und hat mich auch gleich erkannt. Er hat angehalten,
um mir zu helfen.“
Sie musste lächeln, als sie an die kurze Begegnung zurück dachte. Wie
lange hatten sie sich jetzt nicht mehr gesehen? Acht oder neun Jahre. Egal.
Laut sagte sie: „Auf jeden Fall ist es ein schöner Zufall, dass er
gerade jetzt auch hier ist. Er wollte Luc in der Garage Bescheid sagen, damit
er mein Auto abschleppt. Ich werde wohl
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