Die Drachenschwestern
Karotten schälte und raffelte.
Plötzlich kam Zorro in die Küche gestürmt und wollte gleich ein übrig
gebliebenes Stück Schinken vom Tisch klauen, was er auch schaffte. Ohne zu
überlegen warf Kaja den Kochlöffel, den sie in der Hand hatte Richtung Hund.
Zorro, der das schon kannte, hatte sich jedoch in letzter Sekunde mit seiner Beute
unter den Tisch verzogen.
„Wie ich sehe, hast du den kleinen Racker immer noch nicht besser
erzogen!“, tönte Mémés Stimme aus dem Flur.
„Ja, wenn ich nur wüsste wie – ich kann ihn ja schlecht bitten, es
bleiben zu lassen. Besser gesagt, kann ich das schon, nur interessiert das
Zorro nicht wirklich“, antwortete sie leicht genervt. „Wenn du den Tisch
deckst, mach ich schnell die Sauce für den Karottensalat fertig. Hast du noch
irgendwo Senf? Den habe ich nämlich nirgends gefunden“, fragte Kaja.
„Ich hol ihn dir gleich, er steht in einem Tontopf neben den
Konservendosen.“ Mémé platzierte den Topf mit dem grobkörnigen Senf neben ihre
Enkelin und deckte den Tisch. Während Kaja den Salat fertig machte, verteilte
sie das Rührei auf zwei Teller. Kaja stellte den Salat zusammen mit dem Fleisch
und der Crème Fraîche in die Mitte und setzte sich zu ihrer Großmutter an den
Tisch.
„Das schmeckt ja
wieder einmal phänomenal“, lobte Mémé.
Dann war eine ganze Weile nichts mehr zu hören. Sie assen in
einvernehmlichem Schweigen, zufrieden das einfache aber gute Essen genießend.
Als sie fertig gegessen hatten, brachte Mémé Kaja auf den neuesten Stand, was
das Dorfleben im letzten Jahr so gemacht hatte. Unterdessen räumte Kaja den
Tisch ab und stellte die schmutzigen Teller in die Spüle.
„Lass nur“, unterbrach Mémé ihre Erzählungen, „ich mache den Abwasch
dann, du hast ja gekocht.“
„Okay, danke“, sagte Kaja und schnitt sich noch ein Stück Kuchen ab.
„Möchtest du auch noch eins“, fragte sie Mémé, während sie einen frischen Tee
aufbrühte.
„Nein danke, aber
eine Tasse Tee nehme ich gerne.“
Kaja füllte zwei Tassen mit dem aromatisch duftenden Tee und stellte
sie auf den Tisch. Sie holte den Teekrug und ihr Stück Kuchen und ließ sich auf
ihren Stuhl fallen. Behaglich streckte sie sich und seufzte: „Aah, hat das gut
getan. Ich koche und esse so gerne, aber für mich alleine macht es einfach
keinen Spaß. Und überhaupt habe ich meistens so viel um die Ohren, dass ich
höchstens mal auswärts richtig zum Essen komme und das ist einfach nicht
dasselbe.“ Zorro erhob sich von seinem Kaminplätzchen und setzte sich zu ihren
Füssen. Besser gesagt auf ihre Füsse. Automatisch fing Kaja an, ihrem Hund die
Ohren zu kraulen, was dieser sichtlich genoss. Als sie damit aufhören wollte,
stupste er sie ungeduldig mit der Schnauze an.
„Ist ja gut, Kleiner, ich mach ja schon weiter.“ Zu Mémé gewandt
meinte sie scherzhaft: „Er ist ein kleiner Tyrannosaurus Rex geworden. Ich habe
ihn wohl zu sehr verwöhnt. Am besten, ich gehe mit ihm zur alten Mühle, da kann
er sich noch ein wenig die Beine vertreten und sein Geschäft erledigen.“ Sie
stand auf und schnappte sich die Leine. Wahrscheinlich würde sie sie nicht
brauchen, aber man wusste ja nie. Mémé bekam – ganz wie in alten Zeiten – eine
Umarmung: „Wir sprechen morgen ausführlicher, ich geh nachher gleich ins Bett,
in Ordnung?“
„Ja klar, schlaf gut und träum was Schönes.“
„Du auch.“ Kaja folgte Zorro, der schon vorausgelaufen war, zur
Haustür und die beiden verschwanden im Dunkeln.
„So“, sagte die alte Frau in die Stille hinein. „Du hast dich bis
jetzt ja erstaunlicherweise sehr zurückhaltend und gesittet verhalten. Jetzt
erzähl doch mal, was du von meiner Enkelin willst. Und wage es nicht, mich
anzuschwindeln. Ich gebe dir auch einen aus.“
Sie stand auf und füllte ein Glas mit Milch und gab einen großzügigen
Schuss Holunderschnaps hinzu. Mit dem Glas in der Hand setzte sie sich wieder
an den Tisch und wartete. Plötzlich waberte ein blaues nordlichtartiges Flackern
durch den Raum. Der Drache nahm langsam Gestalt an und ließ sich elegant auf
dem Stuhl gegenüber nieder, ein freches Grinsen im Gesicht. „Hola Josephine,
lange nicht gesehen…“
Kapitel 4
Kaja
erwachte früh am nächsten Morgen. Obwohl es noch nicht ganz sieben Uhr war,
fühlte sie sich so wach und ausgeruht wie schon seit Wochen nicht mehr.
Allerdings war sie auch schon seit Wochen nicht mehr vor Mitternacht ins Bett
gekommen. Und der räumliche Abstand zu ihrem
Weitere Kostenlose Bücher