Die Drachenschwestern
großen Postkarte
umfunktionieren. Abgerundet wurden die Sets mit getrockneten Originalblüten und
Kräutern.
„Guten Morgen,
Mémé“, rief Kaja fröhlich.
„Morgen Kaja, du
bist heute aber früh unterwegs.“
„Ich war bereits laufen, es war so ein schöner frischer Morgen. Ich
habe sogar die kleine Fuchsfamilie auf der Lichtung beim Wäldchen gesehen.“
„Ach, sind sie wieder da. Ich bin ihnen dieses Jahr noch gar nicht
begegnet. Kannst du mir helfen und die fertigen Pakete in meinem Auto
verstauen? Ich fahre nachher los und verteile sie an meine Kunden. Wenn du Lust
hast, komm doch mit. Wir könnten uns beim Bäcker Pains au Chocolat und
Orangensaft holen, ich habe nämlich nichts zum Frühstücken im Haus.“
„Ja klar, klingt gut. Dann sehe ich gleich mal, wo du überall deine
Sachen verkaufst. Und echte französische Pains au Chocolat hatte ich schon seit
einer halben Ewigkeit nicht mehr“, antwortete Kaja.
Sie stapelte jeweils drei Geschenkpakete aufeinander, trug die
Pakettürme zum Auto und verstaute sie im Kofferraum. Die letzten drei brachte
ihre Großmutter mit. Sie war soeben fertig geworden. „Kann Zorro mitkommen?“,
fragte Kaja. „Er klebt wie ein Schatten an mir, sobald er merkt, dass ich
weggehen will. Dabei sein ist für ihn alles!“
„Ja klar, hol du
den Hund, ich zieh mich noch schnell um.“
Eine Viertelstunde später fuhren sie die Hofzufahrt hinunter und bogen
Richtung Dorf ab. Zorro, der auf der Rückbank saß, streckte Kaja alle paar
Minuten seine feuchte Schnauze ins Gesicht. Kaja musste Kichern.
„Lass das, du Schlingel, das kitzelt!“ Sie schob den Hund nach hinten
und meinte, an Mémé gewandt: „Er benimmt sich schon seit ich gestern in Zürich
abgefahren bin ein wenig seltsam. Man könnte fast meinen, er will mir dringend
was sagen.“
Sieh mal einer an, dachte Mémé bei sich, sie merkt also doch langsam,
dass etwas anders ist. Vielleicht hilft ihr ja der Hund auf die Sprünge. Laut
sagte sie: „Das ist gut möglich. Du weißt ja, dass Tiere oft mehr wahrnehmen,
als wir Menschen.“
Kaja stellte verwundert fest, dass Mémé es bei dieser Aussage beließ und
nicht die Gelegenheit ergriff, einen ihrer berühmten Vorträge über „Zeichen im
Leben wahrnehmen und deuten“ oder so ähnlich zu halten. Sie zuckte die Achseln
und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Landschaft, die draußen vorbeizog.
Schon kamen die ersten Häuser von Aujargues in Sicht.
„Erinnerst du dich noch an Madame Bouvar? Sie hatte früher doch
zusammen mit ihrem fürchterlich jähzornigen Mann diesen schmuddeligen kleinen
Tabakshop in Lunel geführt.“
Als Kaja nickte, fuhr sie fort: „Na ja, auf jeden Fall ist er letzten
Winter wenig überraschend an einem Herzinfarkt gestorben. Kurz darauf schloss
sie den Tabac und vernagelte die Schaufenster. Jeder dachte, sie würde den
Laden verkaufen und zu ihrer Schwester nach Paris ziehen. In Wirklichkeit
renovierte sie klammheimlich und praktisch ganz alleine den Laden, ohne dass
irgendwer das mitbekam. Im April tauchte sie völlig verwandelt, hübsch
geschminkt und zurechtgemacht bei mir zu Hause auf und verkündete, sie würde
ihren Laden neu eröffnen und sie würde gerne meine handgemachten Kerzen und
Seifen ins Sortiment mit aufnehmen. Ich staunte nicht schlecht. Ihr Laden ist
inzwischen der schönste und speziellste der ganzen Region und sie somit
inzwischen eine meiner besten Kundinnen.“
„Worauf beruht denn ihr Erfolg? Und was verkauft sie sonst noch?“,
wollte Kaja wissen, die gespannt zugehört hatte.
„Du kannst dir
gleich selbst ein Bild davon machen, wir sind da.“
Sie stiegen aus dem Auto und befreiten Zorro vom Rücksitz. Da die
Sonne für September ungewöhnlich heiß vom wolkenlosen Himmel strahlte, war es
zu heiß, um ihn im Auto zu lassen. Mémé wies Kaja an, zwei Pakete
hineinzutragen, sie selbst klemmte sich ebenfalls zwei unter die Arme. ‚Café
des Arts’ stand in geschwungenen Lettern über dem Eingang. Gemeinsam traten sie
durch die Glastür in den Laden. Kaja hatte gar keine Zeit gehabt, die Schaufenster
zu betrachten. Jetzt, im Innern, stand sie mit offenem Mund da und war
schlichtweg überwältigt. Madame Bouvar hatte wirklich ganze Arbeit geleistet!
Die Schaufenster waren leer, so dass Passanten einen ungehinderten Blick ins
Innere des Ladens hatten. Was heißt hier Laden, staunte sie, mehr eine Galerie.
An den Wänden hingen kunstvolle Tuschzeichnungen und Aquarelle, immer wieder
unterbrochen
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