Die drei Musketiere
macht und in jedem Winkel vom Leder zieht! Ich will's nicht haben, daß man der Leibgarde des Herrn Kardinal Stoff zum Lachen gibt, denn es sind wackere, ruhige Leute, die sich niemals in die Lage, arretiert zu werden, bringen und sich auch nicht festnehmen ließen, die nicht! Das weiß ich! Lieber blieben sie auf dem Platz, als daß sie einen Schritt zurück machten... Das Hasenpanier ergreifen, ausreißen, den Rücken zeigen: das taugt bloß für die Musketiere des Königs! Haha!«
Porthos und Aramis bebten vor Wut. Am liebsten hätten sie Herrn von Tréville an der Gurgel gefaßt, wenn sie nicht gemerkt hätten, daß ihm bloß die große Liebe, die er für seine Musketiere im Herzen trug, diese Worte in den Mund legte. Draußen hatte man, wie gesagt, nach Athos, Porthos und Aramis rufen hören, und an Herrn von Trévilles Stimme erkannt, daß er sich in der schlechtesten Laune befand. Ein Dutzend neugierige Köpfe lehnten an der Tapete und wurden käseweiß vor Wut, denn ihren Ohren war keine Silbe von Trévilles Worten entgangen, und im Nu war der ganze Palast von der Kabinettstür bis zum Haustor Feuer und Flamme...
»Ha! die Musketiere des Königs lassen sich von der Garde des Herrn Kardinal arretieren!« fuhr Herr von Tréville fort, der,
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im Herzen genau so ergrimmt wie seine Soldaten, die Worte hervorstieß, so abgerissen, daß sie seinen Zuhörern wie ebenso viele Dolchstiche in die Brust fuhren... »Ha! die Garden Seiner Eminenz verhaften ein halbes Dutzend Musketiere Seiner Majestät! Mord und Brand! Ich weiß jetzt, was ich mache... Ich gehe direkt in den Louvre und reiche meinen Abschied ein, um mich bei der Kardinalsgarde als Leutnant einstellen zu lassen.
Und wenn der Kardinal mich nicht als Soldat nehmen will –
Mord und Brand –, dann werde ich Abbé!«
Bei diesen Worten wurde das Gemurmel draußen zu einem
Höllenlärm, so daß man außer Schwüren und Flüchen kein Wort vernahm. Es hagelte förmlich von Gottesblut und Sakrament, von Mord und Brand und Tod und Teufel. D'Artagnan suchte sich hinter einer Tapetenwand zu verstecken und wäre, da er keine fand, am liebsten unter den Tisch gekrochen.
»Nun denn, Kapitän«, nahm Porthos, außer sich, das Wort,
»in Wahrheit steht die Sache so, daß wir sechs gegen sechs standen, aber wir sind hinterlistig überfallen worden. Ehe wir Zeit fanden, unsere Degen zu ziehen, lagen schon zwei von uns am Boden, und Athos, schwer verwundet, rechnete nicht mehr mit, denn Sie kennen ihn ja, den Athos! Zweimal hat er sich aufgerappelt, und zweimal ist er wieder umgefallen. Aber ergeben haben wir uns nicht, nein! mit Gewalt hat man uns weggeschleppt! Unterwegs haben wir uns wieder Luft gemacht.
Athos hatte man für tot gehalten und ruhig auf dem Schlachtfeld liegenlassen, in der Meinung, es lohne der Mühe nicht mehr, ihn wegzuschaffen. So hat sich's verhalten! Sackerment, Kapitän, alle Schlachten lassen sich nun einmal nicht gewinnen! Der große Pompejus hat die von Pharsalus verloren, und König Franz I., der doch auch, wie es heißt, seinen Mann gestellt hat, die von Pavia.«
»Und ich habe die Ehre, Ihnen zu versichern«, erklärte Aramis, »daß ich einen von den Kerlen mit seinem eigenen Degen aufgespießt habe, denn meiner war schon bei der ersten
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Parade geborsten... Erschlagen oder erstochen, wie es Ihnen genehm ist, Herr!« – »Davon war mir nichts bekannt«, erwiderte Herr von Tréville, schon um einiges sanfter, »der Herr Kardinal hat, wie ich sehe, aufgeschnitten.« – »Aber, halten zu Gnaden, Herr«, fuhr Aramis fort, da er sah, daß sein Kapitän sich beruhigte, »es soll nichts darüber verlauten, daß Athos verwundet ist; er wäre außer sich, wenn es dem König zu Ohren käme, und da die Blessur schwer ist, denn der Degenstoß ist durch die Schulter nach der Brust gegangen, so wäre am Ende zu befürchten...«
Im selben Augenblick wurde der Vorhang gelüftet und ein edles, schönes, aber schrecklich bleiches Gesicht erschien unter der Franse.
»Athos!« schrien die beiden Musketiere. – »Athos!« rief auch Herr von Tréville. – »Sie haben mich herbefohlen, Herr von Tréville«, sagte Athos mit matter, aber völlig ruhiger Stimme,
»wie mir unsere Kameraden meldeten, und ich beeile mich, Ihrem Befehl zu gehorchen. Da bin ich, Herr. Was wünschen Sie von mir?« – Und mit diesen Worten trat der Musketier in untadelhafter Haltung, gewappnet wie sonst, festen Schrittes in das Kabinett. Herr von Tréville, über
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