Die drei Musketiere
die ich zwischen Ihnen und der Königin von Frankreich nicht gestört sehen möchte.« – »Schön, Kardinal; inzwischen lassen Sie aber den Siegelbewahrer holen!« rief der König. »Ich selbst begebe mich zu der Königin.« Die Verbindungstür zwischen seinen und den Gemächern der Königin öffnend, schritt Ludwig XIII. aus dem Zimmer.
Anna von Österreich befand sich im Kreise ihrer Damen, Mesdames von Guitaut, von Sablé, von Montbazon und von Guéménée. In einem Winkel saß jene spanische Ehrendame, Donna Estefania, die ihr von Madrid nach Paris gefolgt war.
Madame von Guéménée las vor, die anderen Damen hörten zu, die Königin ausgenommen, die diese Zerstreuung nur
angeordnet hatte, um unter dem Schein, zuzuhören, ihren eigenen Gedanken nachzuhängen, die, wenn auch von einem letzten Widerschein von Liebe vergoldet, doch überaus traurig
-165-
waren. Des Vertrauens ihres königlichen Gemahls beraubt, vom Haß des Kardinals verfolgt, der ihr nicht vergessen konnte, daß sie ihn in die ihm gesetzten Schranken gewiesen hatte, als er sich herausnahm, ihr seine Liebe anzutragen, immer das Beispiel der Königinmutter Maria von Medici vor Augen, die unter diesem Haß Zeit ihres Lebens zu leiden gehabt hatte, obgleich sie, soweit man den Memoiren der Zeit glauben darf, sich dem Kardinal Richelieu gegenüber weniger ablehnend verhalten hatte, sah Anna von Österreich von ihren treu ergebenen Dienern und Dienerinnen, von den ihr vertrauteren Personen, von denen, die ihrer Gunst am würdigsten waren, einen nach dem andern scheiden. Gleich jenen Unglücklichen, die mit einem Kainsmal behaftet sind, brachte sie über alles, was sie berührte, Unheil, ihre Freundschaft war ein verhängnisvolles Geschenk, das Verfolgung heraufbeschwor; Frau von Chevreuse und Frau von Vernet waren von ihrem Hofe verbannt; La Porte hielt seiner Herrin nicht verborgen, daß er sich stündlich auf seine Verhaftung gefaßt machen müßte.
Inmitten dieser trübseligen Gedanken öffnete sich die Tür ihres Gemaches, und der König trat ein. Die Vorleserin schwieg auf der Stelle; mit ihr erhoben sich alle Damen, und eine tiefe Stille trat ein. Der König unterließ jeden Höflichkeitsbeweis, trat ohne weiteres vor die Königin hin und rief in erregtem Ton:
»Madame, Sie werden den Besuch des Herrn Kanzlers
empfangen, der Sie mit gewissen Dingen in meinem Auftrag behelligen wird.«
Die unglückliche Königin, der man unablässig mit Scheidung, Verbannung und sogar gerichtlichem Urteil drohte, erbleichte unter ihrer Schminke und konnte nicht umhin, zu antworten:
»Aber, Sire, aus welchem Grunde solcher Besuch? Was soll mir der Kanzler sagen, was ich nicht ebensogut aus Ihrem Munde vernehmen könnte?« – Der König machte, ohne zu antworten, kehrt, und fast im selben Augenblick meldete Herr von Guitaut, der Gardekapitän, den Besuch des Kanzlers. Als dieser auf der
-166-
Schwelle erschien, war der König durch eine andere Tür verschwunden.
Halb lächelnd, halb errötend, trat der Kanzler ein, ein geschmeidiger Höfling, durch einen Kanonikus der Notre-Dame-Kirche, vordem Kammerdiener des Kardinals, diesem als ergebener, verläßlicher Mann empfohlen und daraufhin, trotz einer höchst stürmisch verlebten Jugend, zu Amt und Würden gelangt, jetzt aber der männliche Beweis für das auf Weiber gemünzte Wort von jungen Huren und Betschwestern. Dem
Kardinal diente er blind ergeben, verfolgte, zum Kanzler erhoben, die Königinmutter wie auch die Königin und war für den absonderlichen Auftrag, zu dem der Kardinal den König jetzt aufgestachelt hatte, das richtige Werkzeug.
Die Königin stand noch, als er eintrat, setzte sich aber, sobald sie seiner ansicht ig wurde, wieder in ihren Armstuhl und winkte auch ihren Damen, sich zu setzen.
»Was führt Sie hierher, Herr?« fragte sie im Ton erhabener Würde. – »Der Auftrag des Königs, unbeschadet aller Ehrfurcht, die ich vor Ihrer Majestät empfinde, eine genaue Durchsuchung Ihrer Papiere vorzunehmen.« – »Wie, Herr, das wagt man mir zu bieten? Aber das ist ja eine maßlose Kränkung!« – »Madame werden verzeihen«, versetzte der Kanzler, »ich bin in dieser Affäre nur das Werkzeug, dessen der König sich bedient. Ging nicht eben Seine Majestät aus diesem Zimmer? Hat Seine Majestät Madame nicht ersucht, sich auf diesen Besuch Ihres Kanzlers vorzubereiten?« – »So stöbern Sie herum, Herr! Es scheint, daß man in mir eine Verbrecherin wittert? Donna Estefania, geben
Weitere Kostenlose Bücher