Die drei Musketiere
herrlichen Diamantknöpfe zu tragen, die Sie ihr zu ihrem letzten Namenstag schenkten, und mit denen sie sich noch kein einziges Mal zeigen konnte.«
»Wir wollen sehen, Herr Kardinal, wir wollen sehen«,
erwiderte der König, der in seiner Freude darüber, daß die Königin sich nur eines Vergehens schuldig gemacht hatte, das ihn im Grunde wenig interessierte, aber frei von einer Schuld war, die er so sehr verabscheute, sehr geneigt war, sich mit ihr wieder auszusöhnen.
Der Kardinal erhob sich, da die Standuhr elf schlug, machte dem König eine tiefe Verbeugung und verabschiedete sich mit der Bitte, auch ihm die Königin wieder freundlich zu stimmen.
Anna von Österreich, die nach der Beschlagnahme ihres
Briefes auf Vorwürfe gefaßt war, wunderte sich nicht wenig, daß sich der König am andern Morgen bemühte, sich ihr wieder zu nähern. Zuerst verhielt sie sich ablehnend; ihr weiblicher Stolz und ihre königliche Würde waren beide so grausam gekränkt worden, daß sie sich nicht so schnell beruhigen konnte; aber dem Ruf ihrer Damen folgend, stellte sie sich, als wenn sie vergessen wollte. Der König nahm diese erste Regung von Fügsamkeit wahr, um ihr mitzuteilen, daß er in kürzester Zeit ein Fest zu veranstalten gedenke.
Eine Festlichkeit war für die arme Anna von Österreich eine so seltene Freude, daß auf der Stelle, ganz wie der Kardinal es prophezeit hatte, wenn nicht aus ihrem Herzen, so doch aus ihrem Gesicht die letzte Spur von Groll und Verdruß
verschwand. Sie fragte, an welchem Tag die Festlichkeit
-172-
stattfinden solle; der König antwortete aber, darüber müsse er sich erst noch mit dem Kardinal beraten... Der König fragte tatsächlich den Kardinal tagtäglich, wann das Fest abgehalten werden sollte, und tagtäglich verschob der Kardinal unter irgendeinem Vorwand die Festsetzung des Tages. In dieser Weise verstrichen etwa anderthalb Wochen. Am achten Tag nach dem eben geschehenen Auftritt emp fing der Kardinal einen Brief mit dem Poststempel London, der nur die wenigen Zeilen enthielt: »Ich habe sie; aber infolge Geldmangels kann ich London nicht verlassen; senden Sie mir fünf Pistolen, und vier bis fünf Tage nach ihrem Empfang werde ich in Paris sein.«
Am gleichen Tage, als der Kardinal diesen Brief empfangen hatte, stellte der König ihm seine gewohnte Frage. Richelieu zählte an den Fingern ab, wobei er leise vor sich hin sprach:
»Sie wird kommen, schreibt sie, vier bis fünf Tage nach Empfang des Geldes. Ebensolange wird's dauern, bis sie das Geld hat: macht zusammen zehn Tage; ziehen wir widrige Winde, schlimme Zufälle, Frauenschwächen in Betracht und rechnen in allem zwölf Tage.« – »Nun, Herr Herzog«, sagte der König, »haben Sie gerechnet?« – »Jawohl, Sire. Wir haben heute den 20. September; am 3. Oktober geben die
Stadtschöffen ein Fest; das trifft sich ausgezeichnet, denn es wird dann nicht so aussehen, als ob Sie den ersten Schritt zur Versöhnung täten.« – »Noch«, setzte der Kardinal hinzu: »Eins noch, Sire! Vergessen Sie nicht, Ihrer Majestät am Abend vorher zu sagen, daß Sie sich freuen würden, die Diamantknöpfe an ihrem Gewand zu sehen.«
-173-
Herr Bonacieux in seinen vier Wänden
Es machte den König stutzig, daß der Kardinal der
Diamantknöpfe schon wieder Erwähnung tat, und er argwöhnte, daß irgend etwas dahinterstecke. Darum hoffte er, aus einer Unterhaltung mit Anna von Österreich einiges zu erfahren, was ihm Licht gäbe, und, wenn dies der Fall sei, vor Seine Eminenz mit Mitteilungen treten zu können, die für den Kardinal neu wären, und ihn in ein gewisses Ansehen bei ihm setzen könnten.
Er begab sich also zur Königin und begann das Gespräch, seiner Gewohnheit gemäß, mit neuen Drohungen gegen ihre
Umgebung. Anna von Österreich schlug demütig die Augen nieder und ließ, ohne ein Wort zu erwidern, die Flut über sich ergehen in der Hoffnung, daß sie schließlich zum Stillstand kommen werde. Aber das war nicht nach dem Willen Ludwigs XIII., der einen Wortwechsel herbeiführen wollte, aus dem ihm etwas Licht käme, denn er war fest überzeugt, daß der Kardinal sich mit irgendeinem Hintergedanken trüge und eine jener schrecklichen Überraschungen bereit hielte, in denen er Meister war.
»Aber«, rief Anna von Österreich, dieser unbestimmten
Angriffe endlich überdrüssig, »aber. Sire. Sie sagen mir nicht alles, was Sie auf dem Herzen haben. Was habe ich denn verbrochen? Wegen eines Briefes, den ich an
Weitere Kostenlose Bücher