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Die drei Schmiede ihres Schicksals

Die drei Schmiede ihres Schicksals

Titel: Die drei Schmiede ihres Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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lange sie um ihn waren, immer seine Augen auf sie.
    Endlich ging er nicht nur nicht mehr aus dem Hause, sondern gar nicht mehr aus seinem Wohnzimmer. Er ließ einen großen Stehspiegel in dasselbe tragen, und betrachtete seine Gestalt. Nur des Nachts ging er in sein Schlafzimmer, das daneben war, und legte sich ins Bett. Wenn noch gelegentlich ein Besuch aus der Ferne oder aus der Stadt kam, wurde er bei dem Verweilen desselben ungeduldig, trieb ihn beinahe fort, und schloß hinter ihm die Thür ab. Er sah wirklich übler aus: er bekam sogar Falten in dem Angesichte, und wenn er so auf und ab ging, hatte er meistens lange Bartstoppeln auf dem Kinne, wirrige Haare auf dem Haupte, und den Schlafrok wie ein Büßerhemd um die Lenden. Nach einer Zeit ließ er Flanelstreifen auf die Fensterfugen nageln und die Thüren verpolstern. Auf das Zureden und Dringen seiner Freunde, deren noch mehrere zu haben sich Herr Tiburius nicht erwehren konnte, wurde er nur spöttisch, und gab nicht undeutlich zu verstehen, daß er sie für dumm halte, und daß es eigentlich am besten wäre, wenn sie ganz und gar nie mehr bei ihm erschienen. Dieses Leztere geschah auch endlich, und es kam keiner mehr zu ihm. Der Mann war nunmehr einem Thurme zu vergleichen, der sauber abgeweißt und überall verpuzt wird, so daß ihn die Mauerschwalben und Spechte, die ihn sonst allseits umflogen hatten, verlassen müssen. Der Schwarm ist verflogen, und der Thurm steht allein da. Herr Tiburius war über dieses Ereigniß eigentlich freudig, und er rieb sich seit langer Zeit zum ersten Male die Hände; denn er konnte nun ungestört an etwas gehen, was er schon öfter gewollt hatte, wozu er aber nie gekommen war. Er hatte nehmlich, obwohl seine Krankheit als erwiesen da stand, noch nie etwas gegen sie gebraucht, weder hatte er einen Arzt holen lassen, noch hatte er sonst ein Mittel dagegen angewendet. Jezt beschloß er sich selber zu behandeln. So wie der Altknecht seit jeher schon die Bewirthschaftung des Gutes führte, mußte nun der Bediente die Kleiderkammer übernehmen, der Schaffner erhielt die Geräthe, der Verwalter das Vermögen, und er, der Herr, hatte kein anderes Geschäft, als sich zu heilen.
    Um den Zwek völlig zu erreichen, schaffte er sich sofort alle Bücher an, die über den menschlichen Körper handelten. Er schnitt sie auf und legte sie in Stössen nach derjenigen Ordnung hin, nach der er sie lesen wollte. Die ersten waren natürlich die, die über die Beschaffenheit und Verrichtungen des gesunden Körpers handelten. Aus ihnen war nicht viel zu entnehmen, aber
    sobald er zu den Krankheiten gekommen war, so war es ganz deutlich, wie die Züge, die beschrieben wurden, in aller Schärfe auf ihn paßten, - ja sogar Merkmale, die er früher nicht an sich beobachtet hatte, die er aber jezt aus dem Buche las, fand er ganz klar und erkennbar an sich ausgeprägt und konnte nicht begreifen, wie sie ihm früher entschlüpft waren. Alle Schriftsteller, die er las, beschrieben seine Krankheit, wenn sie auch nicht überall den nehmlichen Namen für sie anführten. Sie unterschieden sich nur darin, daß jeder, den er später las, die Sache noch immer besser und richtiger traf, als jeder, den er vorher gelesen hatte. Weil die Arbeit, die er sich vorgestekt hatte, sehr umfangsreich war, so blieb er bedeutend lange Zeit in dem Geschäfte befangen, und hatte keine andere Freude, als die, wenn man das überhaupt eine Freude nennen darf, daß er manchmal seinen Zustand so außerordentlich und unglaublich treu angegeben fand, als hätte er ihn dem Manne selber in die Feder gesagt.
    Drei Jahre hatte er sich behandelt, und er mußte zuweilen den Plan der Behandlung wechseln, weil er nach und nach zu einer bessern Einsicht gelangte. Endlich war er so schlecht geworden, daß er alle Merkmale aller Krankheiten zu gleicher Zeit an sich hatte. Ich führe nur einige an: er hatte jezt einen kurzen Athem; denn er konnte, wenn er der Vorschrift eines Buches zu Folge doch an einem Sommertage in den Garten ging, nicht weit gehen, ohne müde zu werden und sich zu erhizen - die rechte Schläfe pochte ihm zuweilen, und zuweilen die linke - wenn der Kopf nicht brauste und Müken flogen, so war die Brust gepreßt oder stach die Milz - er hatte die wechselnden Fröste und die ziehenden Füße der Nervenkrankheiten - die plözlichen Wallungen deuteten auf Erweiterung der Blutgefäße - und so war noch Vieles. Er konnte jezt auch nie mehr ordentlich hungrig werden, wie einst so

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