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Die drei Schmiede ihres Schicksals

Die drei Schmiede ihres Schicksals

Titel: Die drei Schmiede ihres Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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gerieth in ein sehr großes Entzüken, daß man mit nichts als ledigen schwarzen Strichen so getreu und lieblich und wahrhaftig, als ob sie da ständen, die Gegenstände des Waldes nachbilden könne. Sie saß von nun an, wenn er zeichnete, bei ihm, schaute sehr genau zu, und ließ die Blike auf die Gegenstände und auf die Linien des Buches hin und her gehen.
    Nach einer Zeit redete sie sogar schon darein und sagte oft plözlich: »Das ist zu kurz - das steht draußen nicht so.«
    Er erkannte es jedes Mal als recht, was sie sagte, nahm Federharz, löschte die Striche aus, und machte sie, wie sie sein sollten.
    Zuweilen begleitete er sie nach solchen Stunden zu ihrem Vater, zuweilen ging sie mit ihm bis an die Steinwand. Von seinem Wagen, und daß seine Diener auf ihn draußen warteten, sagte er ihr nichts.
    So verging ein geraumer Theil des Sommers.
    Eines Nachmittags, als schon längstens wieder Erdbeeren waren, als er an der Steinwand saß und zeichnete, als sie, das volle Erdbeerkörbchen neben sich gestellt, hinter ihm in den Steinen saß und zuschaute, als eine langstielige hohe Feuerlilie neben ihnen prangte, sagte er: »Wie kommt es denn, Maria, daß du dich in dem Walde gar nicht fürchtest, und daß du von dem Augenblike an, da wir zum ersten Male zusammen getroffen sind, auch mich gar nicht gefürchtet hast.«
    »Den Wald habe ich nicht gefürchtet,« antwortete sie, »weil ich gar nicht weiß, was ich fürchten sollte - ich bin von Kindheit auf da gewesen, und kenne alle Wege und Gegenden, und weiß nicht, was zu fürchten wäre. Und euch habe ich nicht gefürchtet, weil ihr gut seid, und weil ihr anders seid, als die andern. «
    »Ja wie sind denn die andern?« fragte Herr Tiburius.
    »Sie sind anders,« antwortete Maria. »Ich bin früher zuweilen in das Bad hinein gegangen, wie es hier schier alle thun, um mancherlei Gegenstände zu verkaufen - aber dann ging ich gar nicht mehr hin, als wenn die fremden Leute schon alle weg waren; denn sie haben mich immer - und darunter waren Männer, denen es gar nicht ziemte - an den Wangen genommen und gesagt: »Schönes Mädchen.««
    Herr Tiburius legte nach diesen Worten seinen Stift in das Zeichenbuch, that das Buch zu, kehrte sich auf seinem Steine um, und schaute sie an. Er erschrak ungemein; denn sie war wirklich außerordentlich schön, wie er in dem Augenblike bemerkte. Unter dem Tüchlein, das sie immer auf dem Haupte trug, quollen sanft gescheitelt die dunkelbraunen Haare hervor und zeigten in ihren zwei Abtheilungen die feine schöne Stirne noch feiner und schöner, überhaupt war das ganze Angesicht troz der frischen und gesunden Farbe unsäglich fein und rein, was durch die groben Kleider, die sie gewöhnlich an hatte, noch eher gehoben als gefährdet wurde. Die Augen waren sehr groß, sehr dunkel und glänzend, sie schauten den Menschen, wenn sie aufgeschlagen waren, sehr offen an, und waren, wenn sie sich nieder schlugen, von den langen holden Wimpern demüthig bedekt. Die Lippen waren roth und die Zähne weiß. Ihre Gestalt zeigte selbst jezt, da sie saß, die dem Antlize entsprechende Größe und war schlank und sanft gebildet.
    Herr Tiburius, da er sie so angesehen hatte, wendete sich wieder um, that sein Buch wieder auf, und zeichnete weiter. Aber er zeichnete nicht mehr gar lange, sondern sagte halb zu Maria zurük gewendet: »Ich höre heute lieber auf.«
    Er stekte den Stift in die Hülse, welche an dem Zeichenbuche angebracht war, er that das Buch zu und schnallte es zusammen, er stekte die Sachen, die herum lagen, zu sich und stand auf. Maria erhob sich ebenfalls aus dem Gesteine, in welchem sie gesessen war, und richtete ihr Körbchen zusammen. Dann gingen sie, er sein Zeichenbuch unter dem Arme, sie ihr volles Körbchen an der Hand tragend, mit einander fort. Sie gingen von der Wand nicht gegen die Straße zu, sondern gegen den Wald, weil sie Tiburius bis an die Stelle begleiten wollte, wo ihr Pfad in dem Dikicht seitwärts lenkte, um gegen den Hügel zu gehen, auf dem das Haus ihres Vaters stand.
    Als sie an der Stelle angekommen waren, blieben sie stehen und Maria sagte: »Lebt recht wohl, und vergeßt nicht, übermorgen zeitlich genug zu kommen; denn jezt stehen die Erdbeeren in den Thurschlägen unten, wohin es viel weiter ist. Ihr könntet ja dann auch wieder einmal zu dem Vater mitgehen, ich richte euch beiden die Erdbeeren zurecht, daß ihr sie esset. Jezt gute Nacht.«
    »Gute Nacht, Maria, ich werde kommen,« antwortete Tiburius,

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